OVG: Grundstückseigentümer darf öffentliche Abwasseranlagen nicht beseitigen

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Ein Grundstückseigentümer darf Abwasseranlagen, die als öffentliche Einrichtung gewidmet sind, nicht beseitigen. Die Widmung kann dabei auch ohne ausdrückliche Erklärung erfolgen, heißt es in einem unanfechtbaren Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, mit dem das OVG den Antrag eines Eigentümers gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig zurückgewiesen hat.

Das Verwaltungsgericht hatte es auf den Antrag eines Abwasserzweckverbandes dem Eigentümer im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Schmutz- und Niederschlagswasseranlagen - Leitungen und Schächte - auf mehreren Grundstücken zu beseitigen, zu beschädigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hatte es dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro angedroht. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet, da die den Gemeinden und Zweckverbänden auferlegte Pflicht zur Abwasserbeseitigung aus dem Sächsischen Wassergesetz (SächsWG) und dem Wasserhaushaltsgesetz WHG eine öffentlich-rechtliche Pflicht sei. Die Abwasserleitungen seien ein Teil der Anlagen für die öffentliche Abwasserentsorgung. Der Verband könne sein Begehren auf den allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog stützen.

Der Abwasserverband  hatte den Schmutzwasserkanal und den Niederschlagswasserkanal in der Zeit von 1991 bis 1994 gemeinsam mit der Gemeinde und mit Zustimmung der Voreigentümer auf dem Gelände errichtet. Er wartet die Kanäle und erlässt Gebührenbescheide. Das Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass, dass die Widmung in Gestalt einer Allgemeinverfügung auch konkludent erfolgen könne, genügend Umstände für die Zugehörigkeit der Leitungen zur öffentlichen Einrichtung „Abwasserentsorgung“ vorhanden. Ausreichend für die Widmung dass die Sache für den öffentlichen Zweck zur Verfügung gestellt werde, wie es hier schon vor vielen Jahren geschehen sei. Aufgrund der Widmung der Anlagen sei der Eigentümer verpflichtet, sie auf seinen Grundstücken zu dulden. Ein Anspruch des Antragsgegners gegen den Antragsteller auf Entfernen der Leitungen aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB oder ein Anspruch auf Selbsthilfe aus § 229 BGB sei ausgeschlossen.

Verband zur Entsorgung
von Abwasser verpflichtet

Der Verband machte seinen Anspruch nicht als Eigentümer oder Besitzer der Abwasseranlagen geltend, sondern berief sich darauf, dass er die Abwasseranlagen für einen öffentlichen Zweck gewidmet habe und als Verantwortlicher für die Abwasserbeseitigung und Träger der Baulast nach dem Sächsischen Wassergesetz (SächsWG), dem  Wasserhaushaltsgesetz (WHG) verpflichtet sei, die Funktionsfähigkeit der Abwasseranlagen sicherzustellen. Insoweit stehe ihm ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB zu.

Der Eigentümer brachte dagegen vor, es bestehe für ihn keine öffentlich-rechtliche Duldungspflicht des Antragsgegners. Das Verwaltungsgericht habe rechtlich nicht haltbar mit dem Konstrukt der konkludenten Widmung nachträglich einen Gemeingebrauch begründet. Eine Widmung liege nicht vor, weil der Behördenwille nicht durch nach außen dokumentierte Erklärungen der zuständigen Stellen erkennbar sei. Für eine konkludente Widmung reiche die bloße Indienststellung der Sache für den öffentlichen Zweck durch die reine Aufnahme der Nutzung der Leitungen nicht aus.

Die Argumentation des Eigentümers gibt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts keinen Anlass zu einer Änderung des angefochtenen Beschlusses. Entgegen der Auffassung des Eigentümers sei der Verwaltungsrechtweg eröffnet, und die Beteiligten stünden sich nicht in einem Verhältnis der Gleichordnung gegenüber, stellt das OVG fest. Vielmehr mache der Verband Ansprüche geltend, die ihm als Träger der öffentlichen Aufgabe der Abwasserentsorgung zustehen. Nach dem SächsWG in Verbindung mit dem WHG sei der Verband zur Abwasserbeseitigung verpflichtet.

Das OVG stellt fest, dass die Existenz einer öffentlichen Einrichtung stets eine entsprechende Widmung erfordere, mit der der Aufgabenträger den Nutzungszweck einer Einrichtung festlegt und die Grundlage für ihre Benutzung durch die Berechtigten schafft. Die Form der betreffenden öffentlich-rechtlichen Willenserklärung sei aber nicht gesetzlich vorgeschrieben; sie könne ausdrücklich, aber auch konkludent, also ohne ausdrückliche Erklärung, erfolgen. Das sei hier geschehen, und zwar durch die Inbetriebnahme und Nutzung der Anlagen und in dem Erlass der Gebührenbescheide zu sehen. Dadurch sei der Wille des Einrichtungsträgers, die Anlagen einem öffentlichen Zweck zuzuführen, ausreichend deutlich nach außen dokumentiert worden. Einer Eintragung der Leitungsrechte in das Grundbuch habe es insoweit nicht bedurft.

Die Anlagen seien Teil der öffentlichen Einrichtung des Verbandes zur Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung, und sie dienten der Entwässerung der gesamten Ortslage. Die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke würden zu Schmutz- und Niederschlagswassergebühren herangezogen, sofern keine anderweitig zulässige Entsorgung des anfallenden Niederschlagswassers erfolge, stellt das OVG fest. Das Oberverwaltungsgericht gibt auch zu bedenken, dass es dem Abwasserzweckverband bei Kosten von circa 400.000 Euro nicht zuzumuten sei, die Leitungen und Kanäle vorläufig zu verlegen.

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