Nach dem Fund toter Fische und dem Nachweis der giftigen Goldalge Prymnesium parvum im Gewässersystem der Oder hat Polens Umweltministerium einen Krisenstab einberufen. „Drei Mal tote Fische - das ist bereits ein wichtiges Warnsignal, dass wir in Bereitschaft gehen müssen und das Risiko einer Wiederholung der Situation vom letzten Jahr sehr hoch ist“, sagte Umweltministerin Anna Moskwa dem polnischen öffentlich-rechtlichen Radio.
Die Wassertemperatur der Oder sei stark angestiegen. „Das ist der erste Faktor.“ Der Krisenstab ermögliche es, schnell zu handeln, sagte die Ministerin weiter.
Anfang der Woche waren nach Angaben der Gebietsverwaltung der Woiwodschaft Opole in dem von der Oder abzweigenden Gleiwitzer Kanal sowie im Kedzierzyn-Kanal insgesamt 450 Kilogramm verendeter Fische geborgen worden. In beiden Kanälen wurde bei Wasserproben auch die giftige Goldalge nachgewiesen. Bereits im Mai und im April war die Goldalge in zwei Stauseen in der Nähe der Oder aufgetaucht.
Der 1939 eingeweihte Gleiwitzer Kanal ist 41 Kilometer lang und verbindet die oberschlesische Großstadt Gleiwitz (Gliwice) mit der Oder. Der 4,5 Kilometer lange Kedzierzyn-Kanal zweigt vom Gleiwitzer Kanal ab und führt zu den Stickstoffwerken in Kedzierzyn-Kozle.
Wie das Umweltministerium mitteilte, empfiehlt der Krisenstab unter anderem, die Altarme der Oder vorübergehend abzuriegeln und in Rückhaltebecken natürliche Barrieren zu errichten, um die Entwicklung der Goldalge zu stoppen. Außerdem sollen die Einleitungen von Industrie- und Haushaltsabwässern in Abhängigkeit von den Wassermesswerten systematisch gesteuert werden. Eine weitere Empfehlung des Krisenstabs ist die Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff.
BMUV: „Lemke ist alarmiert“
Die Oder selber ist bislang nicht betroffen. Gleichwohl hat der Fund toter Fische im polnischen Gewässersystem der Oder auch in Deutschland Alarmstimmung ausgelöst. „Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist alarmiert über Nachrichten zur Lage an der Oder in Polen“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums der dpa mit. „Noch sind die Fischsterben ein ganzes Stück von der deutsch-polnischen Grenze entfernt, aber es besteht die Sorge vor einem ähnlichen Szenario wie im letzten Sommer.“ Polen sei aufgefordert, die Einleitungen in die Oder zu reduzieren.
Der Leiter des Nationalparks Unteres Odertal im Nordosten Brandenburgs, Dirk Treichel, sagte nach den Funden in Kanälen auf polnischer Seite: „Wir sind extrem besorgt.“ Im Nationalparkgebiet seien bislang aber keine toten Fische festgestellt worden. Es sei gut, dass Polen aktiv sei und die Funde von Fischkadavern öffentlich mache. Zugleich jedoch sehe er es mit Sorge, dass der Salzgehalt derzeit so hoch sei wie schon längere Zeit nicht. „Es ist keine Verbesserung eingetreten“, sagte Treichel. Die Oder habe zudem Niedrigwasser, die Temperatur liege bei etwa 23 Grad.
Hohe elektrische Leitfähigkeit nachgewiesen
Veröffentlichte Messungen in der Oder bei Hohenwutzen ergaben zuletzt eine elektrische Leitfähigkeit von fast 1.600 Mikrosiemens pro Zentimeter (µS/cm). An der Messstation in Frankfurt an der Oder wurde ein Wert von mehr als 1.900 µS/cm festgestellt. Die elektrische Leitfähigkeit im Wasser ist ein Indikator für den Gehalt von Salzen.
Zur Zeit der Umweltkatastrophe in der Oder war der Wert von 800 auf mehr als 2.000 µS/cm gestiegen, wie das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) berichtete. So hohe Werte könnten in einem Fluss nur durch industrielle Salzeinleitungen entstehen, hieß es. (dpa)