Dossier: Umsetzung der Nitratrichtlinie – bekommt Deutschland die Nitratbelastung des Grundwassers mit der Düngeverordnung in den Griff?

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In Deutschland weisen nach Angaben der Bundesregierung 304 der insgesamt 1.178 Grundwasserkörper eine Nitratbelastung von über 50 Milligramm pro Liter auf, womit die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) weiterhin verfehlt werden. 

Die Europäischen Kommission zeigte sich auch mit der neuen Düngeverordnung nicht zufrieden. Zuvor hatte die Bundesregierung erklärt, eine weitere Änderung der Düngeverordnung (DüV) sei derzeit nicht vorgesehen. Die Wasserwirtschaft sieht sich in ihrer Kritik an der deutschen Nitratpolitik bestätigt.

Nach langen und schwierigen Verhandlungen mit der Bundesregierung hatte die Europäischen Kommission die novellierte Düngeverordnung zunächst vorerst akzeptiert.

Das Vertragsverletzungsverfahren zum EuGH-Urteil zur Umsetzung der Nitratrichtlinie (EUWID 26.2018) sei allerdings durch die Europäische Kommission bislang noch nicht eingestellt, sondern lediglich ruhend gestellt worden, hieß es.

Die Düngeverordnung (DüV 2020) aus dem vergangenen Jahr setze europäisches Recht nicht vollständig um, heißt es in einem Gutachten zum novellierten deutschen Düngerecht von Prof. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität Kiel im Auftrag des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). 

Neue Pestizid-Schadensfälle und die anhaltend hohen Nitratbelastungen zeigen nach Auffassung der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet (IWAR), dass der Schutz der Trinkwasser-Ressourcen vor landwirtschaftlich verursachten Einträgen deutlich verstärkt werden müsse. Durch einen fundamentalen Konstruktionsfehler der Agrarreform GAP 2023-2027 würden die Gelder für bestehende Ökobetriebe und den Ausbau des Ökolandbaus enorm gekürzt.

Die Grünen im Bundestag setzen auf die Herstellerverantwortung: Es sei völlig klar, dass die Verschmutzung des Wassers mit immer mehr Schadstoffen wie Nitrat, Mikroplastik und Rückständen von Arzneimitteln nicht so weitergehen dürfe. Über einen Verursacherfonds müssten die Hersteller von Wasserschadstoffen an den Kosten der Wasserreinigung beteiligt werden.

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Am 1. Mai 2020 ist das neue Düngerecht in Kraft getreten, nachdem der Bundesrat der auf Drängen der EU geänderten Düngeverordnung nun bereits Ende März zugestimmt hat. Die strengeren Regelungen waren bis zum Jahreswechsel umzusetzen.

Die Verlängerung der Übergangsfristen erfolgte vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und beruht auf einer Einigung zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission.

Die Länder haben die Regelungen in Landes-Düngeverrodnungen umgesetzt. Im Vergleich zur bisherigen Situation gibt es zum Teil erhebliche veränderungen bei der Nitrat-Kulisse. So reduziert sich in Hessen der Anteil der mit Nitrat belasteten Gebiete um fast die Hälfte. In NRW nimmt die Gesamtkulisse für Nitrat nimmt mit den neuen Regelungen sogar um 70 Prozent ab.

Daran hat der BDEW scharfe Kritik geübt. Die Vorgaben und die Ziele der EU-Nitratrichtlinie würden mit der Ausweisung der Gebiete durch ide Länder nicht erfüllt. Stattdessen wollten die Bundesländer die bestehenden Schutzgebiete sogar weiter reduzieren und ermöglichten damit eine noch umfangreichere Düngung landwirtschaftlicher Flächen als bisher.

Die Diskussion geht weiter:

Die Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag beklagt eine hohe Belastung des Grundwassers in ganz Bayern. 

In Baden-Württemberg werfen Verbände der Landesregierung ein Schönreden der Nitrat-Situation vor.

Auch juristisch ist die Grundwasserbelastung durch Nitrat weiterhin ein Thema: Der VGH Mannheim hat den Bau eines Megastalls aus Gründen des Gewässerschutzes gestoppt.

Das UBA empfiehlt, statt pauschaler Flächenprämien Gewässerrandstreifen als Maßnahme gegen den Nitrateintrag zu honorieren.

Die Gebietskulisse der mit Nitrat belasteten Gebiete inNiedersachen umfasst 645.000 Hektar und damit rund 24,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF).

Positives hat zuvor Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) im Zusammenhang mit dem Nährstoffbericht des Bundeslandes berichtet: Die Nährstoffüberschüsse schrumpften in Niedersachsen deutlich. 

Als bedeutendes Diskussionsthema in Deutschland erweisen sich nun insbesondere die Grundwassermessstellen. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Düngeverordnung (DüV) soll einheitliche Regeln für Gebiete mit hoher Nitratbelastung bieten. Den Entwurf der Verordnung

hat der Bundesrat beschlossen; zusätzlich spricht sich die Länderkammer für einen Bund-Länder-Ausgleich zur Finanzierung der Nitrat-Messstellen aus.

Das sächsische Grundwassermessnetz ist nach Angaben des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in einem sehr guten Zustand. 96 Prozent der Grundwassermessstellen in Sachsen erfüllten die hohen Qualitätsanforderungen, die für Grundwassermessstellen gelten. 

Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern und das Landesministerium für Landwirtschaft und Umwelt wollen ihren Dialog zur Düngeverordnung, der insbesondere beim Thema Messtellen problematisch war, jetzt fortführen. Der Verband und das Ministerium hätten ihre gemeinsame Vereinbarung bekräftigt, kritische Messstellen genau unter die Lupe zu nehmen, teilte das Umwelt- und Agrarministerium mit.

Das NRW-Umweltministerium hat Mitte Februar die finale Kulisse nitratbelasteter Gebiete veröffentlicht. 

Beispielsweise gibt es im Landkreis Leer drei neue Messtellen. Sie sollen künftig Daten zu Wasserständen und Grundwasserchemie in der Region liefern.

In Niedersachsen haben die Landesregierung und Landwirte einen Kompromiss zu den nitratintensiven Roten Gebieten getroffen, der unter anderem die Umsetzung einer Regionalisierung und eine stärkere Berücksichtigung eines Verursacherprinzips beinhaltet.

Zuvor hatte auch die CDU-Fraktion im Landtag in Hannover Benachteiligungen in ehemals Roten Gebieten krisiteriert und gefordert, die großflächige immissionsbasierten Binnendifferenzierung aufzugeben. 

In Rheinland-Pfalz soll das Netz der Grundwasser-Messstellen in den nächsten Jahren deutlich größer werden. Die geringe Dichte von etwa 250 Messstellen für Nitratkonzentrationen im Grundwasser sei ein Problem, sagte Landwirtschaftsminister Volker Wissing (FDP).

Die Grundwasserdaten des Berliner Landesmessnetzes können jetzt auch im Internet tagesaktuell eingesehen werden

Die Bundesregierung hat sich im Rahmen ihrer Antwort auf eine Anfrage im Bundestag zur Nitratmessung geäußert.

Die Freien Bauern fordern von der Bundesregierung, die für Ende 2020 vorgesehene Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung nitratbelasteter Gebiete als Chance für einen wissenschaftlich sauberen Neubeginn zu sehen.

Widerstand gegen die neuen Regeln aus der Landwirtschaft gibt es weiterhin: Ein Landwirtschaftsbetrieb aus dem ostfriesischen Timmel hat beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die Düngeverordnung eingereicht.

Die Ausweisung besonders mit Nitrat belasteter Gebiete in den Bundesländern stößt auch seitens von Umweltschützern auf Kritik. So kritisiert der BUND die neue Festlegung der Roten Gebiete in Schleswig-Holstein, die damit reduziert worden sind. 

Der Anteil der durch Nitratauswaschung gefährdeten Gebiete in Europa ist nach Berechnungen des UFZ fast doppelt so groß wie bislang angenommen.

Die Bilanzwerte in der Stoffstrombilanzverordnung, einem weiteren Bestandteil des Düngepakts, sind nach Auffassung der Autoren einer Studie des Umweltamtes (UBA) zu hoch angesetzt.

Dem Schutz vor dem Nitrateintrag dienen auch Randstreifen an Gewässern. Die nordrhein-westfälischen Landesgruppen von BDEW, DVGW und VKU lehnen die geplanten Streichungen der Regelungen zu Gewässerrandstreifen in der Novelle des Landeswassergesetzes ab. Vielmehr sei von der Möglichkeit, Gewässerrandstreifen mit einer Breite von zehn Metern festzusetzen, Gebrauch zu machen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Verbände.

Unterdessen lassen die Zahlen aus dem neuen Nitratbericht 2020, den die Bundesregierung der EU-Kommission vorlegen muss, nach Auffassung des BUND dringenden Handlungsbedarf erkennen.

Die DWA hat im Rahmen ihrer Stellungnahme zur „Ackerbaustrategie 2035“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf den weiterhin zu hohen Nährstoffanfall aus der intensiven Tierhaltung hingewiesen. 

Der DVGW erwartet von der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU, dass sie aktiv gegen die Überdüngung in der Landwirtschaft vorgeht. Dem Nitratbericht zufolge ist die Belastung im Grundwasser weiterhin zu hoch. 

Auch die Verbände der Wasserwirtschaft VKU und BDEW fühlen sich durch den aktuellen Nitratbericht in ihrer Auffassung bestätigt, dass es noch erheblicher Anstrengungen bedarf, um die Belastung der Gewässer zu reduzieren.

Anders sehen das Vertreter der Landwirtschaft: Der Nitratbericht der Bundesregierung zeigt nach Auffassung des niedersächsischen Bauernverbandes Landvolk, dass Deutschland bei der Reduzierung von Einträgen in die Gewässer auf dem richtigen Weg ist.

Die Europäische Kommission hat die Annahme der geänderten Düngeverordnung (DüV) im Bundesrat begrüßt. Nun kommt es der Kommission zufolge auf die Umsetzung an. 

Die Europäische Union beobachtet die Umsetzung der Richtlinie europaweit: Die Kommission hat Belgien und Spanien dazu aufgefordert, die Nitratrichtlinie einzuhalten. 

Unterdessen hat die EU-Kommission auch Italien aufgefordert, seine Gewässer besser vor der Verunreinigung durch Nitrate aus der Landwirtschaft zu schützen.

Auf die „essentielle Bedeutung“ der Denitrifikation in Gewässern, Böden und Kläranlagen weist ein Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) hin: Die Reduktion von NO3 zu N2 sei der einzige Prozess innerhalb der Biosphäre, mit dem reaktiver Stickstoff wieder in die molekulare Form überführt wird.

Betroffen vom neuen Düngerecht ist auch das Wasserhaushaltsgesetz (WHG): Mit einer neuen Regelung will die Bundesregierung auf Landwirtschaftsflächen mit besonderer Hangneigung die Abschwemmung von Düngemitteln in angrenzende Gewässer verhindern. Dazu hat die Bundesregierung einen Entwurf des Bundesumweltministeriums (BMU)  zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) beschlossen, den nach dem Beschluss durch den Bundesrat der Bundestag zunächst in die Ausschüsse zur Beratung überwiesen und dann beschlossen hat. Der Bunderat hat der WHG-Änderung abschließend zugestimmt.

Im federführenden Umweltausschuss zeigten sich bei einer Anhörung zu dem Themaunterschiedliche Auffassungen der Experten. Während etwa der BDEW die vorgesehene Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) im Hinblick auf die Düngung von Hangflächen als einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Gewässer bezeichnet hat, äußerte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände äußerte Zweifel an der Praktikabilität bei der Ermittlung der Hangneigung. -

Die Bundesrats-Ausschüsse für Landwirtschaft und für Umwelt hatten dem Bundesrat empfohlen, der Düngeverordnung (DüV) zuzustimmen, in einer Entschließungsempfehlung allerdings Kritik am Vorgehen der Bundesregierung und an der Novelle selbst geübt. Gegen die vorgezogenen Behandlung des Themas im Bundesrat - ursprünglich war dafür Anfang April vorgesehen - hatte sich unter Hinweis auf die Corona-Krise der Deutsche Bauernverband (DBV) gewandt. Zuvor hatte der DBV ebenfalls mit Hinweis auf die Corona-Krise eine Überprüfung der Verordnung gefordert. 

Das Bundesumweltministerium (BMU)  hat hervorgehoben, dass das deutsche Düngerecht mit den vom Bundesrat beschlossenen Änderungen künftig den europäischen Standards zum Gewässerschutz entsprechen werde.

Aus den Verbänden der Wasserwirtschaft kommt nach wie vor Kritik: So bemängelt die DWA das Fehlen einer gesamtbetrieblicher Bilanz in den neuen Düngeregeln.

Hintergrund ist, dass auch nach der erst 2017 erfolgten Novellierung der Düngeverordnung das Düngerecht in Deutschland nach den Forderungen der Europäischen Kommission weiter nachgebessert werden musste. Wie dies geschehen soll, war unter anderem zwischen der Bundesregierung, den Ländern und der Europäischen Kommission diskutiert worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, dass die Anforderungen der Europäischen Union an das Düngerecht zu erfüllen sind.

Die EU-Kommission und die Bundesregierung hatten bereits zuvor eine Einigung erzielt. Für die Länder waren noch zahlreiche Fragen offen, wie sich auf einem Treffen der Landesagrar- und Umweltminister Mitte März gezeigt hat. So erwartete Niedersachsen, dass das Verursacherprinzip verbindlich verankert wird.

Das will Nordrhein-Westfalen mit seiner Landes-Düngeverordnung sicherstellen, die mittlerweile in Kraft getreten ist: Dort sollen nitratbelastete Gebiete auf Basis neuer Erkenntnisse stärker differenziert werden.

Ein Bericht der bayerischen Landesregierung bestätigt aktuell die Herkunft eines Großteil der Nitrateinträge in die Gewässer aus der Landwirtschaft. Die Nitratbelastung des Grundwassers ist in Bayern einem weiteren Bericht zufolge seit 2008 gleichbleibend.

Auch in dem besonders betroffenen Niedersachsen gibt eine nach wie vor große Zahl von Grundwasserkörpern, für die dringender Handlungsbedarf besteht.

Brandenburg hat angekündigt, die Nitratkonzentrationen und weitere Parameter in der geplanten „Auskunftsplattform Wasser“ ab etwa Ende des Jahres 2020 im Internet zu veröffentlichen.

Nachdem innerhalb der Bundesregierungeine Einigung über verschärfte Düngeregeln erzielt worden war, war diese von der Kommission zunächst wiederum als unzureichend kritisiert worden. Die Bundesregierung hat mittlerweile nachgelegt: Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hatte kurz vor Weihnachten einen Referentenentwurf zur Änderung der Düngeverordnung (DüV) vorgelegt und in die Verbändeanhörung gegeben.

Auch die Verbände der Wasserwirtschaft DWA, BDEW und VKU hatten den ursprünglichen Referentenentwurf als für den Gewässerschutz unzureichend kritisiert.

Auch in diesem Entwurf gab es nach Auffassung der Kommission noch Schwachstellen: Vor dem Hintergrund üben auch Länder und Verbände scharfe kritik an der Bundesregierung.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) drang nun vor allem darauf, dass die Nitratbelastung in den Bundesländern einheitlich gemessen werden müsse.

Kritik am Vorgehen der Koalition bei den jüngsten geplanten Änderungen an der Düngeverordnung hat Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik der Grünen im Bundestag, geübt. Es fehle ein abgestimmter Verordnungsentwurf; die Bundesregierung müsse konkret werden.

Widerstand gegen die novellierte DüV, die nach den Planungen im April im Bundesrat behandelt werden soll, kam aus Bayern und Rheinland-Pfalz. Beide Länder hatteen signalisiert, die Verordnung in der Länderkammer eventuell abzulehnen.

Zuvor hatten sich das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und das Bundesumweltministerium (BMU) auf weitere Verschärfungen geeinigt, die sie der Kommission vorgelegt haben. So sind unter anderem strengere Vorgaben für das Ausbringen von Düngemitteln auf Hangflächen in Gewässernähe sowie eine Ausweitung der dortigen Randstreifen vorgesehen. Auch die Zeiten für das Ausbringen von Festmist sollen weiter beschränkt werden. Umwelt- und Wasserwirtschaftsverbände bleiben zum Teil skeptisch, ob der Kompromiss tragfähig ist.

Das Bundesumweltministerium hat bekräftigt, dass die Nitratbelastungen des Grundwassers weit überwiegend durch die landwirtschaftliche Düngung verursacht werden. Nitratbelastungen durch undichte Kanäle sind in urbanen Gebieten zu erwarten, nicht aber unter landwirtschaftlich genutzten Böden, erklärte das BMU zu dem aus Teilen der Landwirtschaft erhobenen Vorwurf erklärt, wonach Kläranlagen und undichte Abwasserleitungen stärker oder zumindest genauso zur Nitratbelastung beitragen wie die Landwirtschaft.

Dass die Landwirtschaft hat noch erheblichen Nachholbedarf bei der Minderung ihrer Stickstoffeinträge habe, geht auch aus der aktuellen Stickstoffflächenbilanz des Umweltbundesamtes (UBA) mit ausgewerteten Daten bis 2017 hervor.

Diese Sichtweise, dass Landwirtschaft Hauptverursacher für die Nitratbelastung der Gewässer ist, hat auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) angesichts der Demonstrationen von Landwirten gegen die Umsetzung der verbindlichen EU-Nitratgrenzwerte unterstrichen.

Dass Düngung und Gewässerschutz aber durchaus miteinander in Einklang gebracht werden können, haben Hubertus Paetow, der Präsidenten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), und Karsten Specht, der Vizepräsidenten des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), gemeinsam festgestellt. Für eine echte Lösung ist nach Auffassung von Paetow und Specht die notwendige Transparenz im System erforderlich.

Nach Auffassung der DWA besteht im Ökolandbau Potenzial zur Minderung der Nitrat-Emissionen, das noch nicht ausgeschöpft wird.

Die Belastung des Wassers mit Nitrat ist auch über das grundlegende EuGH-Urteil zur Umsetzung der Nitratrichtlinie hinaus Inhalt juristischer Auseinandersetzungen:

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat auf Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wegen der schlechten Grundwasserqualität verklagt. Die Behörden hätten über Jahre dabei versagt, Grund- und Oberflächengewässer ausreichend vor zu hohen Nitrat-Belastungen zu schützen. Das Land Nordrhein-Westfalen hält die Klage für nicht zielführend und für kontraproduktiv. Es bestehe Anlass zur Sorge, dass ein Klageverfahren in der aktuellen Phase die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen zur Senkung der Nitratwerte im Grundwasser ausbremsen könnte

Eine wichtige Entscheidung für die Thematik hatte zuvor der Europäische Gerichtshof (EuGH) getroffen: Personen, die unmittelbar von einer Verletzung der Nitratrichtlinie betroffen sind, können die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen bei den zuständigen nationalen Behörden einfordern. Das kann gegebenenfalls auch auf dem Rechtsweg erfolgen, heißt es in dem Urteil.

Im Hinblick auf die aktuellen massiven Proteste von Landwirten unter anderem gegen verschärfte umweltpolitische Auflagen durch das Düngerecht hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärt, dass die Landwirtschaft den Wunsch nach sauberem Grundwasser, nach Erhalt der Biodiversität und nach nachhaltiger Produktion nicht unbeantwortet lassen könne.

Grundsätzliche Gedanken zum Thema hat die Kommission Landwirtschaft am Umweltbundesamt (KLU) geäußert: Nur mit einem grundlegenden Strukturwandel der Landwirtschaft hin zur Flächenbindung der Tierhaltung könne das Übermaß an Gülle in einigen Regionen sowie der Mangel in anderen ausgeglichen werden, schreibt die KLU in ihrer aktuellen Position mit dem Titel „Quo vadis Landwirtschaft?“.

Verbände der Umwelt- und Wasserwirtschafthaben die ergänzenden Vorschläge der Bundesregierung zur  Düngeverordnung scharf kritisiert; aus ihrer Sicht sind die völlig unzureichend und können nicht dazu beitragen, ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren zu verhindern. Die Verbände haben die EU-Kommission dazu aufgerufen, die Vorschläge zurückzuweisen. Auch anlässlich der Übergabe der Vorschläge an die Kommission haben Natur- und Umweltschutzverbände gemeinsam mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die Düngepolitik der Bundesregierung einer harten Kritik unterzogen.Sie betonen die Notwendigkeit einer neuen Landwirtschaftspolitik.

Die Grünen im Bundestag halten den Kompromiss ebenfalls für nicht tragfähig, während der Deutsche Bauernverband gravierende Probleme auf die Landwirtschaft zukommen sieht. NRW-Umweltministerin Heinen-Esser hält den Kompromiss dagegen für ausgewogen. Die FDP-Fraktion im Bundestag plädiert für Ausnahmen in der Düngeverordnung für Betriebe, die nachweislich keine problematischen Nitratemissionen verursachen.

Unterdessen setzen weitere Bundesländer die Vorgaben der Düngeverordnung von 2017 im Hinblick auf besondere Maßnahmen in den besonders betroffenen "roten" Gebieten" um, darunter Thüringen. Auch in dem Zusammenhang wird über die anstehenden weiteren Verschärfung diskutiert. Strengere Düngeverordnungen für belastete Gebiete sind jetzt auch in Brandenburg und MV in Kraft getreten. Im September ist Niedersachsen nachgezogen - hier sind neben den nitrat-, auch die phosphatsensiblen Gebiete erfasst worden. 

Scharfe Kritik kommt aus  dem Saarland: Umwelt- und Landwirtschaftsminister Reinhold Jost (SPD) hat von  Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) mehr Engagement in der Nitratproblematik gefordert. Die Bemühungen der Ministerin, die Nitratbelastung im Grundwasser zu senken, seien „halbherzig“, sagte Jost.

Zu den am stärksten betroffenen Bundesländern zählt Niedersachsen: Hier muss die Menge der Stickstoffeinträge um circa 37.000 Tonnen im Jahr verringert werden, um die gesetzlichen Vorgaben erfüllen zu können.

Unterdessen ist auch in dem Bundesland eine neue Landes-Düngeverordnung beschlossen worden. Auf rund 39 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Niedersachsens und damit auf rund einer Million Hektar gelten für die die Gebietskulisse Grundwasser, die so genannte „Nitrat-Kulisse“, in Zukunft strengere Düngeregeln für die Landwirtschaft.

Das Umweltbundesamt (UBA) fordert angesichts der anhaltend hohen Nährstoffeinträge in Böden und Gewässer  eine stärkere Ökologisierung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP). Die Forderung findet sich in dem aktuellen Bericht „Evaluierung der GAP-Reform aus Sicht des Umweltschutzes (GAPEval)".

Das Thema Nitratbelastung beschäftigt auch die Bürger

90 Prozent der Menschen in Deutschland sehen die Belastung von Gewässern und Trinkwasser durch eine nicht bedarfs- und standortgerechte Düngung und das Aufbringen von Gülle als problematisch an, heißt es in der aktuellen Ausgabe der Umweltbewusstseinsstudie hervor, die das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und das Umweltbundesamt (UBA) vorgelegt haben.

Im Rahmen einer im Auftrag des Wasserchemikalien-Herstellers Kemira durchgeführten Verbraucherumfrage betrachten viele der Befragten die Verschmutzung durch Landwirtschaft und Industrie als größte Bedrohung für die Wasserressourcen Deutschlands: 59 Prozent der Befragten schätzen die Verschmutzung durch die Landwirtschaft und 64 Prozent der Befragten durch die Industrie als groß ein.  

Ein aktuelles Vorhaben Universitäten Osnabrück und Oldenburg zielt darauf ab, die Problematik der Nitrat-Einträge im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts zu erforschen, um sowohl das Bewusstsien für eine nachhaltige Wassernutzung zu schärfen als auch wichtige Erkenntnisse zu erlangen.

Darüber, dass der Belastung der Gewässer mit Nitrat zu begegnen ist, besteht zwischen den Beteiligten weitgehend Einigkeit. Als Hauptursachen werden das Ausmaß des Düngens und die Massentierhaltung ausgemacht. Vor allem im Grundwasser steigt die Nitratkonzentration durch die Massentierhaltung und übermäßiges Düngen in der Landwirtschaft nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) in zahlreichen Gegenden sogar weiter an. Die Landwirtschaft wehrt sich gegen in ihren Augen unpraktikable und überzogene Regelungen, während unter anderem die Wasserwirtschaft, die Umweltverbände und ein Teil der Opposition im Bundestag ein scharfes Düngerecht fordern.

Nach Angaben der Umweltministerkonferenz verfehlen über 90 Prozent der Oberflächengewässer den guten ökologischen Zustand nach der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), was auch in weiten Teilen auf die Belastung mit Nährstoffen zurückgeführt werden könne. Hauptursache sei der zu hohe Wirtschafts- und Mineraldüngereinsatz.

In diesem Dossier informiert EUWID fortlaufend über bedeutende Entwicklungen in dem laufenden Prozess, der insbesondere durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angetrieben worden ist.

Rechtsgutachten stützt Position der EU-Kommission

Ein Rechtsgutachten des Instituts für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht der Universität Trier, das der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vorgelegt hat, stützt in wesentlichen Punkten die Rechtsauffassung der EU-Kommission zur Notwendigkeit einer Novellierung der Düngeverordnung. 

Neuer Vorschlag zum Düngerecht soll in Kürze vorliegen

Der Bund will nun - nach aktuellen Bund-Länder-Gesprächen im Juni
der EU seine neuen Pläne gegen den Eintrag von Nitrat in Gewässer vorstellen. Im Mittelpunkt der Gespräche steht auch der geplante Abschlag von der optimalen Düngung um 20 Prozent in belasteten Gebieten.

Zuvor hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage im Bundestag über Details der Düngenovelle informiert.

EuGH stellt Verstoß gegen Nitratrichtline fest

In dem Urteil stellt der EuGH fest, dass Deutschland hat gegen die europäische Nitratrichtlinie verstoßen hat: Die Maßnahmen gegen Nitrateinträge in Gewässer und Grundwasser seien nicht ausreichen. Geklagt hatte die Europäische Kommission.

Die Bundesregierung betonte zunächst, dass sich das Urteil auf die Düngeverordnung in der Fassung vor der Novellierung beziehe.

Anfang des Jahres erklärte die Europäische Kommission aber, dass die – aktuelle - Düngenovelle nachgebessert werden müsse. Zustimmung dazu kam aus der Wasserwirtschaft.

Forderung nach weitergehenden Regelungen

Die Vorschläge der Bundesregierung zur Anpassung der Düngeverordnung sind wiederum von verschiedener Seite als immer noch nicht ausreichend kritisiert worden. So fordert der Bundesrat strengere Regelungen, und die Grünen im Bundestag verlagen von der Bundesregierung, die von der EU-Kommission verlangten Verbesserungen in der Düngeverordnung sofort umzusetzen. Auch die Umweltminister der Länder halten die Düngeverordnung für nicht ausreichend,wie aus einem aktuellen Beschluss der Umweltministerkonferenz (UMK) hervorgeht. 

In einem EUWID-Interview informiert Dirk Waider, Vizepräsident Wasser des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), über die Position seines Verbandes zum Düngerecht, insbesondere im Hinblick auf das Verursacherprinzip.

Bauernverband kritisiert Forderungen der Kommission - Bundesregierung: Forderungen sind zu erfüllen

Der Bauernverband kritisiert die Forderungen der EU-Kommission heftig - nach Auffassungvder Bundesregierung gibt es aber keine Alternative dazu, den Forderungen der Komission zu entsprechen.

Anlässlich der Verkündung der neuen Düngeverordnung (DüV) im Bundesgesetzblatt und dem Inkrafttreten des neuen Düngerechts am 1. Mai 2020 hat der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, kritisiert, dass eine „fachlich mangelhafte Verordnung durchgedrückt" worden sei, die eine bedarfsgerechte Düngung in nitratsensiblen Gebieten verbiete und sogar kontraproduktiv für den Gewässerschutz wirken könne.

Mehr zum Thema Düngeverordnung und Nitratbelastung lesen Sie in unserem wöchentlichen Brancheninformationsdienst EUWID Wasser und Abwasser, der in der Regel dienstags als E-Paper und Printmedium erscheint. Die Fachzeitung informiert Leser mit knappem Zeitbudget kompakt über die relevanten Entwicklungen in der Wasser- und Abwasserbranche.

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