Dossier: Neuordnung der Klärschlammentsorgung - Was kommt jetzt auf Abwasserentsorger zu?

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Im Oktober 2017 ist die novellierte Klärschlammverordnung (AbfKlärV) in Kraft getreten. Sie regelt den Umgang mit Klärschlamm komplett neu: Größere Kläranlagen sind künftig verpflichtet, den im kommunalen Abwasser bzw. Klärschlamm enthaltenen Phosphor zurückzugewinnen - ab 2029 alle Kläranlagen größer 100.000 Einwohner-werten und ab 2032 alle Kläranlagen größer 50.000 Einwohnerwerten. Zudem endet für viele Kläranlagen die bodenbezogene Verwertung.

Bereits ab 2023 müssen die Kläranlagenbetreiber darlegen, wie sie der P-Rückgewinnungspflicht nachkommen wollen. Klar ist schon jetzt: Die Klärschlammentsorgung muss neu überdacht werden. Zukunftsfähige Strategien sind gefragt, um die Anforderungen zu erfüllen. Hierzu werden in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen in Verbrennungskapazitäten und P-Rückgewinnungstechnologien erforderlich sein. Auch werden Kläranlagen-Kooperationen eine immer wichtigere Rolle spielen.

Auch auf europäischer Ebene gibt es Überlegungen, die Klärschlammentsorgung an neuere Entwicklungen und Gegebenheiten anzupassen: Mitte Juni 2020 hat die EU-Kommission angekündigt, die Klärschlammrichtlinie (86/278/EWG) zu evaluieren.

In diesem Online-Dossier fasst EUWID fortlaufend die wichtigsten Entwicklungen seit Inkrafttreten der novellierten Klärschlammverordnung zusammen. Informationen zur eigentlichen Klärschlammverordnung und zu den Diskussionen rund um deren Novellierung finden Sie im kostenlosen EUWID-Report „Klärschlamm 2018“. 

Mehrere interkommunale Initiativen gestartet

Immer mehr Entwässerungsbetriebe tun sich zusammen, um neue Konzepte zur Klärschlammentsorgung zu erarbeiten. So plant etwa die Stadtentwässerung Hildesheim im Verbund mit acht weiteren Abwasserentsorgern den Bau einer Monoverbrennungsanlage bis 2029.

Auch die Stadtentwässerungsbetriebe (StEB) Köln, der Wasserverband Eifel-Rur, der Niersverband und der Erftverband haben eine Klärschlammkooperation vereinbart. Im Mittelpunkt steht die Errichtung einer gemeinsamen eigenen Monoverbrennungsanlage. Ende Juni 2019 hat sich die Bundesstadt Bonn entschieden, dieser Kooperation beizutreten. Im März 2021 haben die StEB bekannt gegeben, dass sie zusammen mit den Stadtwerken Köln am Heizkraftwerk-Standort Köln-Merkenich eine Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) errichten wollen. Die Anlage soll eine Kapazität von 120.000 bis 180.000 Tonnen Originalsubstanz haben. Mitte September 2021 haben der Wasserverband Eifel-Rur und der Erftverband einen Gesellschaftervertrag zur Gründung derKlärschlammkooperation Rheinland GmbH (KKR) unterzeichnet.

Anfang März 2019 haben Hamburg Wasser und Remondis den Grundstein für eine neue Phosphor-Rückgewinnungsanlage auf dem Klärwerk Hamburg gelegt. Die Anlage wendet das von Remondis entwickelte TetraPhos-Verfahren erstmals im großtechnischen Maßstab an. Ende August 2019 war Baubeginn. Im Dezember 2020 haben Hamburg Wasser und Remondis bekannt gegeben, dass der Betrieb der neu errichteten Anlage im Januar 2021 mit einer gut dreimonatigen Einfahrphase starten soll.

Die Stadt Kiel und Remondis wollen 80 Mio. Euro in eine Klärschlammverbrennungsanlage in der Hansestadt investieren. Zusammen mit der Müllverbrennung Kiel GmbH & Co. KG (MVK) will Remondis die Klärschlammverbrennungsanlage mit integrierter Phosphorrückgewinnung errichten und betreiben. Remondis soll dabei in den nächsten 20 Jahren für die Anlieferung und den Transport der Klärschlämme sowie die Entsorgungssicherheit bei Anlagenrevisionen verantwortlich sein.

Mitte Juli 2019 hat der Wupperverband mitgeteilt, dass er zusammen mit vier weiteren Partnern eine neue Gesellschaft zur Klärschlammverwertung gegründet hat. Die Entwässerungsbetriebe der Städte Düsseldorf und Münster sowie der Aggerverband, der Bergisch-Rheinische Wasserverband und der Wupperverband wollen in der Klärschlammverwertung Buchenhofen GmbH ihren Klärschlamm künftig gemeinsam entsorgen. Geplant ist eine Mono-Klärschlammverbrennungsanlage mit einer Kapazität von 36.000 Tonnen am Wuppertaler Standort Buchenhofen. Ende Mai 2021 wurde bekannt, dass die Anlage deutlich teurer wird als ursprünglich angenommen. Demnach sind die Investitionskosten von 50,7 Mio. Euro auf 79,4 Mio. Euro gestiegen. Im August 2021 sind weitere Gesellschafter der Klärschlammverwertung Buchenhofen GmbH beigetreten. Die Kapazität der Anlage soll auf 47.500 Tonnen erweitert werden.

In Mecklenburg-Vorpommern wird es bald möglicherweise zwei weitere Klärschlammverbrennungsanlagen geben. Die Bürgerschaft der Hansestadt Rostock hat den Bau einer Monoverbrennungsanlage in unmittelbarer Nähe zur Zentralen Kläranlage beschlossen. Im November 2020 wurde bekannt, dass die ursprünglich geplante dezentrale Vortrocknung der Monoverbrennungsanlage vorerst nicht realisiert wird. Im Mai 2021 hat die Klärschlamm-Kooperation Mecklenburg-Vorpommern (KKMV) die Genehmigung für den Bau der Monoverbrennungsanlage beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg in Rostock beantragt. Zusätzlich teilte der Anlagenbetreiber EEW mit, an seinen Plänen für eine Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage am Standort Stavenhagen festhalten zu wollen. Mitte Juni 2020 hat die Stavenhagener Stadtvertretung allerdings das städtische Einvernehmen zur geplanten Anlageverweigert. Ende Mai 2021 erhielt EEW vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte die Genehmigung, mit dem Bau der Anlage in Stavenhagenvorzeitig zu beginnen. Mitte September 2021 folgte dann die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Im November 2021 hat EEW den Grundstein für die Anlage gelegt. 2023 soll sie in den Regelbetrieb gehen. Bereits seit Mitte 2017 behandelt der Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (ZWAR) seinen Klärschlamm in einer kleinen Monoverbrennungsanlage.

Im Januar 2020 hat das Entsorgungsunternehmen Alba bekannt gegeben, dass es seine Müllverbrennungsanlage in Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern um eine Trocknungsanlage für kommunalen Klärschlamm erweitern will.

Auch der Geschäftsführer des Landeswasserverbandstags Brandenburg, Turgut Pencereci, hat auf die Bedeutung größerer Kooperationen in der Klärschlammverwertung hingewiesen. Diese seien unbedingt erforderlich, wenn die kommunalen Abwasserentsorger selbstständig die Klärschlämme entsorgen und künftig die Phosphate recyceln wollen, sagte Pencereci im EUWID-Interview.

Die thermische Verwertung von Klärschlamm in Monoverbrennungsanlagen ist allerdings auch in kleinen und dezentralen Anlagen möglich. Entsprechende bereits realisierte oder im Bau befindliche Anlagenprojekte wurden im Mai 2019 auf den DWA-Klärschlammtagen in Würzburg vorgestellt.

In Baden-Württemberg ist unterdessen die Plattform P-Rück gegründet worden. Aufgabe der Plattform ist es, ein Informations- und Wissensnetzwerk aufzubauen. Die Initiative geht auf den DWA-Landesverband Baden-Württemberg und das baden-württembergische Umweltministerium zurück. 

Die Klärschlammkooperation Ostwestfalen-Lippe (OWL) hat auf ihrer Mitgliederversammlung ein Gesamtkonzept verabschiedet. Es sieht unter anderem die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch die an der Kooperation beteiligten Kommunen und kommunalen Unternehmen vor. Mitte Februar 2020 haben 57 Kommunen, Verbände und Gesellschaften aus der Region einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Die mittlerweile gegründete Klärschlammverwertung OWL GmbH (KSV OWL) sucht nun einen strategischen Partner, der ab 2024 mit ihr zusammen über ein gemeinsames Tochterunternehmen die Klärschlämme ihrer Gesellschafter entsorgt. Hierzu ist Mitte Dezember 2020 ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb gestartet.

Im Februar 2021 wurde bekannt, dass Gelsenwasser in der Stadt Erwitte im Kreis Soest eine Klärschlammverbrennungsanlage errichten will. Dort plant der Wasserver- und Abwasserentsorger, als Partner der Klärschlammverwertung OWL GmbH die im Rahmen der interkommunalen Kooperation akkumulierten Klärschlämme aus der Region Ostwestfalen-Lippe thermisch zu behandeln.

Der Zementhersteller Heidelberg-Cement sieht die Mitverbrennung als sinnvolleren Entsorgungsweg für Klärschlamm, weil sie im Vergleich zur Monoverbrennung klimafreundlicher sei und weniger Reststoffe hinterlasse. Das Unternehmen EasyMining Germany ist hingegen der Meinung, dass die Rückgewinnung von Phosphor auf der Kläranlage nicht sinnvoll sei. Die Monoverbrennung und die anschließende P-Rückgewinnung aus der Asche sei das einzige vernünftige Verfahren, um einerseits die im Klärschlamm enthaltenen Schadstoffe sicher zu zerstören und andererseits marktfähige Phosphorrezyklate zu gewinnen.

Demgegenüber hat RWE Power auf dem Knapsacker Hügel seine Infrastruktur für Klärschlamm-Mitverbrennung ausgebaut. Wie angekündigt, hat der Energieversorger sein Klärschlamm-Zwischenlager in Hürth-Knapsack um 2.250 auf rund 5.300 Quadratmeter Hallenfläche vergrößert. Gleichzeitig wurden zwei weitere Förderstrecken in Betrieb genommen, die über neue Pumpen zusätzliche 60 Tonnen Klärschlamm pro Stunde zu den Kraftwerkskesseln transportieren. Bis 2025 will RWE am Standort Knapsacker Hügel eine erste Monoverbrennungsanlage für Klärschlamm in Betrieb nehmen.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Münchner Stadtentwässerung (MSE) eine neue Mono-Klärschlammverbrennungsanlage bauen will. Die Anlage soll jährlich zwischen 35.000 und 40.000 Tonnen Klärschlamm Trockenrückstand verbrennen können – und damit den gesamten in München anfallenden Klärschlamm.

In Berlin soll ab 2025 sämtlicher Klärschlamm der Berliner Wasserbetriebe (BWB) thermisch verwertet werden. Am Klärwerk Ruhleben betreiben die BWB bereits seit 1985 eine Klärschlamm-Monoverwertungsanlage (KVA). Eine zweite ist am Klärwerk Waßmannsdorf derzeit in Planung und soll im Jahr 2025 in Betrieb gehen. Durch die thermische Verwertung soll dann der gesamte im Schlamm gebundene Phosphor vollständig in der Asche (ca. 3.300 t/a) vorliegen. Der Bau der KVA Waßmannsdorf stelle damit die Vorbereitung für eine spätere P-Rückgewinnung aus der Asche dar, erklärte die Senatsverwaltung. Bei einem Wirkungsgrad von mindestens 80 Prozent ließen sich mehr als 2.600 Tonnen Phosphor rückgewinnen. Jörg Köring von der Essener WTE Wassertechnik GmbH hat auf der VDI-Konferenz "Klärschlammbehandlung" Ende September 2021 in Düsseldorf das Anlagenkonzept für die KVA präsentiert.

Im Landkreis Augsburg gibt es ebenfalls Pläne für eine neue Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage. Wie der Mannheimer Energieversorger MVV mitteilte, will das Unternehmen im Industriepark Gersthofen für mehr als 30 Mio. Euro eine Anlage zur thermischen Verwertung von jährlich rund 85.000 Tonnen entwässertem Klärschlamm mit anschließender Phosphor-Rückgewinnung bauen.

Die nordhessische Stadt Spangenberg hat sich hingegen entschieden, neben ihrer Kläranlage eine Klärschlammvererdungsanlage zu errichten. Einen entsprechenden Auftrag hat das Unternehmen Eko-Plant bekommen. Auch die StadtBodenwerder im Landkreis Holzminden erhält im kommenden Jahr eine neue Klärschlammvererdungsanlage von Eko-Plant. Auftraggeber des 1,36 Millionen Euro teuren Projekts ist der Wasserverband Ithbörde/Weserbergland.

Generell ist in Nord- und Osthessen die P-Rückgewinnung aus Klärschlamm technologisch und wirtschaftlich machbar. Damit stehen Alternativen zur bodenbezogenen Klärschlammverwertung zur Verfügung. Zu diesem Ergebnis kommt eine durch das Hessische Umweltministerium, durch Kasselwasser und weiteren 38 Partnern finanzierte Machbarkeitsstudie.

Veolia und die LAV Landwirtschaftliches Verarbeitungszentrum Markranstädt GmbH wollen Klärschlämme künftig gemeinsam verwerten. Wie Veolia mitteilte, haben sich die LAV-Tochter HVT Handel Vertrieb Transport GmbH und die zur Veolia-Gruppe gehörende TVF Waste Solutions GmbH zur Veolia Klärschlammverwertung Deutschland GmbH zusammengeschlossen.

Der Klärschlamm aus Leipzig und Halle soll ab 2023 in der sich derzeit im Bau befindlichen Monoverbrennungsanlage im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen verwertet werden. Eine entsprechende Kooperation über zehn Jahre haben die Leipziger Stadtwerke und die Hallesche Wasser und Stadtwirtschaft mit der KSR Klärschlammrecycling (KSR) vereinbart.

Die Klärschlammverwertung in der Region um Böblingen könnte im Rahmen eines neuen Zweckverbandes erfolgen. Stadt und Landkreis Böblingen haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, die die wesentlichen Planungsgrundlagen für eine Klärschlammverbrennungsanlage auf dem Grundstück des Zweckverbandes Restmüllheizkraftwerk (RBB) in Böblingen festlegt. Die Anlage soll nach dem Willen des Kreistags eine Kapazität von 80.000 bis maximal 120.000 t/a entwässerten Klärschlamm haben.

In Baden-Württemberg könnte darüber hinaus eine weitere neue Monoverbrennungsanlage für Klärschlamm errichtet werden. Der Abwasserverband Murg und der Abwasserzweckverband Breisgauer Bucht wollen zusammen den "Klärschlammverwertung Zweckverband Südbaden (KZV)" gründen, der in Forchheim am Kaiserstuhl eine entsprechende Anlage planen, bauen und betreiben soll.

Der Energieversorger EnBW will in Walheim im baden-württembergischen Landkreis Ludwigsburg eine Klärschlammverbrennungsanlage errichten. Am dortigen Kraftwerksstandort soll eine Monoverbrennungsanlage für rund 180.000 Tonnen entwässerten Klärschlamm entstehen. Diese Menge entspricht umgerechnet rund 45.000 Tonnen Trockensubstanz.

Im September 2019 wurde bekannt, dass die Ausschreibung zur thermischen Klärschlammverwertung in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannoverwiederholt werden muss. Der Energieversorger Enercity teilte Ende Mai 2020 mit, dass er den Zuschlag für die thermische Verwertung der jährlich rund 56.000 Tonnen Klärschlamm erhalten hat. Der Entsorgungsvertrag startet zum 1. Januar 2023 und hat eine Laufzeit von 25 Jahren.

Der Anlagenbetreiber EEW hat die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die geplante Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage in Helmstedt erhalten. Die offizielle Grundsteinlegung erfolgte Ende Januar 2020. Neben Helmstedt plant EEW Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen in Stapelfeld und im mecklenburgischen Stavenhagen. Zudem baut EEW in den Niederlanden seine Aktivitäten in der thermischen Klärschlammbehandlung aus.

Der Zweckverband Abfallverwertung Südhessen (ZAS) prüft im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, wie Klärschlamm künftig noch umweltschonender verwertet und der enthaltende Phosphor recycelt werden kann.

Der Mannheimer Energieversorger MVV will in seiner Müllverbrennungsanlage Trea Leuna in Sachsen-AnhaltKlärschlamm thermisch behandeln und dabei eine innovative Technologie zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm einsetzen. Bis zu 120.000 Tonnen entwässerter Klärschlamm sollen in der Trea eingesetzt werden. Mit dem Bau der Anlage wollen die Mannheimer im vierten Quartal 2022 beginnen. Die Inbetriebnahme soll im zweiten Halbjahr 2024 erfolgen.

Mitte Oktober 2020 hat MVV den ersten Spatenstich für den Bau einer neuen Klärschlamm-Behandlungsanlage in Mannheim gesetzt. Bereits Ende 2021 soll das knapp 50 Mio. Euro teure Projekt auf der Friesenheimer Insel in Betrieb gehen. In der Mannheimer Anlage sollen nach Angaben von MVV künftig bis zu 180.000 Tonnen regionaler Klärschlamm pro Jahr verwertet werden.

Der Klärschlammentsorger Wiese Umwelt Service plant im thüringischen Warza eine weitere Monoverbrennungsanlage. Wie Geschäftsführer Michael Wiese gegenüber EUWID mitteilte, will das Unternehmen den Genehmigungsantrag für die geplante Anlage Anfang 2021 bei der zuständigen Behörde einreichen. Der Durchsatz dieser Anlage soll jährlich 100.000 Tonnen entwässerten kommunalen Klärschlamm betragen. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2024 vorgesehen.

Immer mehr kommunale Klärschlämme werden verbrannt

Fest steht, dass bundesweit immer mehr kommunale Klärschlämme verbrannt werden. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts waren es im Jahr 2017 rund 70 Prozent. Im Jahr 2018 waren es etwa 74 Prozent. Diese Quote ist im Jahr 2019 in etwa gleichgeblieben.

Das Umweltbundesamt (UBA) geht davon aus, dass der Entsorgungsmarkt für Klärschlamm im Jahr 2029 ausgeglichen sein wird und genügend Kapazitäten zur thermischen Behandlung zur Verfügung stehen werden. Laut einer Prognose der Behörde werden die Verbrennungskapazitäten 2029 bei 1,34 Mio. Tonnen Klärschlamm-Trockenmasse liegen. 

Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Trendresearch erwartet für die kommenden Jahre einen massiven Zubau von Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen. Zusätzlich zu den 23 Bestandsanlagen sind mindestens 33 Neubauprojekte in Planung, heißt es in einer Studie von Trendresearch.

Das Beratungsunternehmen Ecoprog zählt laut einer Marktstudie aus dem Mai 2020 insgesamt 40 bekannte Projekte für neue Monoverbrennungsanlagen. Diese verfügen zusammen über eine jährliche Kapazität von rund 1,1 Mio. Tonnen Trockensubstanz. Mit den bereits aktiven Monoverbrennern für Klärschlamm ergibt das eine technische Kapazität von rund 1,8 Mio. Tonnen Trockensubstanz pro Jahr.

Die Joma Umwelt-Beratungsgesellschaft kommt im November 2020 im Rahmen einer Erhebung zu dem Ergebnis, dass deutschlandweit etwa 44 Neubau- oder Ersatzprojekte für die Mono-Klärschlammverbrennung in Planung beziehungsweise teilweise bereits in der Realisierung sind. Demnach sind Anlagen für insgesamt rund 1,2 Mio. Tonnen Klärschlamm-Trockensubstanz (TS) pro Jahr in der Planung. Bei seiner vergleichenden Bedarfsabschätzung zwischen den geplanten und den gegebenenfalls benötigten Anlagenkapazitäten für die Klärschlammentsorgung geht das Beratungsunternehmen von einer leichten Überkapazität von rund 65.000 Tonnen Klärschlamm-TS aus.

Recherchen von EUWID Recycling und Entsorgung haben im Frühjahr 2019 ergeben, dass Knappheit und hohe Preise den Entsorgungsmarkt für Klärschlamm in Deutschland prägen. Aus der Marktumfrage im Frühsommer 2020 lässt sich ableiten, dass das Marktumfeld in der Summe derzeit stabil ist. Das Preisniveau ist verglichen mit früher nach wie vor hoch. Generell ist es auf dem Entsorgungsmarkt für Klärschlamm in den vergangenen Monaten etwas still geworden.

Klärschlamm bleibt ein beliebter Brennstoff in der Zementindustrie. Das geht aus den "Umweltdaten der deutschen Zementindustrie" hervor, die der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) veröffentlicht hat. Demnach verbrannten die VDZ-Mitglieder im vergangenen Jahr 703.000 Tonnen Klärschlamm. 2018 waren es 633.000 Tonnen.

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) hat dafür plädiert, die thermische Behandlung von Klärschlamm explizit aus dem Geltungsbereich des Brennstoff-Emissionshandelsgesetzes (BEHG) auszunehmen. Eine Bepreisung der CO2-Emissionen aus der Klärschlammverbrennung hätte keinerlei positive Lenkungswirkung für den Klimaschutz, sondern wäre kontraproduktiv für den Umwelt- und Ressourcenschutz, so die DWA.

Auch das baden-württembergische Umweltministerium hält nichts davon, Klärschlamm in das nationale Brennstoff-Emissionshandelssystem aufzunehmen. Sollte Klärschlamm in den Geltungsbereich des BEHG fallen, seien keine positiven ökologischen Effekte zu erwarten. Das schreibt das Ministerium in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Paul Nemeth von der CDU.

Das Bundesumweltministerium (BMU) geht davon aus, dass durch den allmählichen Ausstieg aus der bodenbezogenen Klärschlammverwertung weniger synthetische Polymere durch ausgebrachten Klärschlamm in Böden gelangen. Aus Vorsorgegründen sollte der Eintrag von synthetischen Polymeren in die Böden jedoch auf ein notwendiges Maß reduziert werden, schreibt das BMU in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Plastik im Klärschlamm. Synthetische Polymere werden unter anderem zur Eindickung und Entwässerung von Klärschlamm verwendet.

Forschungsaktivitäten zur P-Rückgewinnung laufen weiter

Neben konkreten Investitionsvorhaben beschäftigen sich unterschiedliche Forschungsprojekte mit der P-Rückgewinnung: An der TH Mittelhessen etwa erarbeitet ein Konsortium ein Konzept zur Gewinnung von Phosphor und Energie aus Klärschlamm.

Gelsenwasser hat bekannt geben, künftig mit dem Unternehmen EasyMining bei der Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm eng zu kooperieren.

In Sachsen baut der Zweckverband Frohnbach eine Anlage zur Klärschlammverwertung durch Pyrolyse. Durch die Pyrolyse soll die Menge an Klärschlamm von etwa 1.450 Tonnen im Jahr um etwa 90 Prozent auf unter 170 Tonnen Pyrolyserückstand pro Jahr in der Kläranlage Niederfrohna reduziert werden.

In einer Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Mittlere Mulde in Eilenburg wiederum soll ein spezielles Verfahren des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ) zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm mittels Bierhefe erprobt werden.

Auch werden regionale Ansätze untersucht: Das Forschungsprojekt „P-RückSÜD“ der Hochschule Biberach (HBC) etwa befasst sich mit Szenarien einer zukunftsfähigen Klärschlammentsorgung in den Regionen Donau-Iller, Allgäu, Hochrhein-Bodensee und Bodensee. Ziel ist es, Aussagen darüber zu treffen, wie die Entsorgungssicherheit der Klärschlämme zu vertretbaren Kosten langfristig sichergestellt und die gesetzlichen Anforderungen zur Phosphorrückgewinnung eingehalten werden können.

In Göppingen wurde im Oktober 2019 die erste Phosphor-Rückgewinnungsanlage im Vollstrombetrieb in Baden-Württemberg eingeweiht. Zum Einsatz kommt ein modifiziertes AirPrex-Verfahren mit integrierter thermisch-chemischer Desintegration.

Ende März 2020 hat die Europäische Phosphor Plattform (ESPP) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Phosphor-Plattform (DPP) und der Niederländischen Nährstoff Plattform (NPP) einen Technologienkatalog zur Phosphorrückgewinnung in englischer Sprache veröffentlicht.

Eine interessante Entdeckung haben hingegen Forscher der Universitäten Bayreuth und Kopenhagen gemacht: Die Gabe von Silizium könnte die Phosphorverfügbarkeit in landwirtschaftlich genutzten Böden deutlich erhöhen und phosphorhaltigen Dünger über Jahre überflüssig machen. Zu diesem Schluss ist das interdisziplinäre Forscherteam bei der Analyse von Böden in der Arktis gekommen.

Das Spin-Off-Unternehmen TreaTech der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) hat ein System entwickelt, das Klärschlamm in Mineralsalze und Biogas verwandeln kann. Auf diese Weise lässt sich bereits während der Abwasserbehandlung Phosphor aus Klärschlamm zurückgewinnen.

Eine Studie des Kompetenzzentrums Wasser Berlin (KWB) und der Bioland Beratung GmbH kommt zu dem Ergebnis, dass Struvit aus Klärschlamm als Dünger für den Ökolandbau bestens geeignet ist. Im Vergleich zu verschiedenen möglichen Phosphatprodukten aus Abwasser oder Klärschlammasche sei Struvit die bestmögliche recycelte Düngealternative zu Rohphosphat, teilte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit, die die Studie gefördert hat.

Fraunhofer-Forscher haben zusammen mit zwei Wirtschaftspartnern einen neuen Ansatz zur Rückgewinnung von Phosphaten aus Klärschlamm erarbeitet, der eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Alternative zu bisherigen chemikalien- und kostenintensiven Verfahren bietet. Im "P-bac Verfahren" kommen Bakterien zum Einsatz.

Politik unterstützt neue Projekte

Die Politik unterstützt Projekte, die sich mit innovativen Verfahren zur P-Rückgewinnung und/oder zur Klärschlammentsorgung befassen: In Mannheim z. B. wird eine neue Pilotanlage zur P-Rückgewinnung mit 6,4 Mio. Euro gefördert.

Das Bundesumweltministerium (BMU) will zudem die Entwicklung neuer Abwassertechnik stärker fördern und hat deswegen den Förderschwerpunkt „Innovative Abwassertechnik“ eingerichtet. Innerhalb des Förderschwerpunkts soll im Bereich „Wertstoffrückgewinnung und -bereitstellung“ eine Verbesserung der Rückgewinnung von Phosphor, Stickstoff und andere Wertstoffen aus dem Abwasser bzw. dem Klärschlamm erreicht werden.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat allerdings angemahnt, dass noch zu wenig über Arzneimittelrückstände in Klärschlämmen und in den daraus erzeugten Phosphor-Recyclingprodukten bekannt ist – hier besteht eine Datenlücke. Das geht aus dem UBA-Bericht "Arzneimittelrückstände in Rezyklaten der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlämmen" hervor.

Langfristig plädiert das UBA für einen vollständigen Ausstieg aus der bodenbezogenen Klärschlammverwertung. Die Umweltbehörde hat eine Broschüre veröffentlicht, die einen Überblick über die aktuelle Situation und künftige Entwicklungen und Möglichkeiten der Klärschlammbehandlung und -entsorgung in Deutschland gibt.

Demgegenüber hat der BUND Naturschutz in Bayern (BN) von der bayerischen Staatsregierung den sofortigen Stopp aller Planungen und Genehmigungsverfahren für den Aus- und Neubau von Klärschlammverbrennungsanlagen im Freistaat gefordert. Der BN hält die P-Rückgewinnung aus Klärschlammaschen für nicht nachhaltig und fordert ein Umdenken bei der Abwasserbeseitigung und der Klärschlammverwertung und -entsorgung.

In Nordrhein-Westfalen liegt der Investitionsbedarf zur Schaffung von Kapazitäten zur Mono-Klärschlammverbrennung und zur Phosphorrückgewinnung in den nächsten fünf bis zehn Jahren zwischen 600 Mio. und 1,0 Mrd. Euro. Zu dieser Einschätzung kommt das nordrhein-westfälische Umweltministerium im März 2021 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Düsseldorfer Landtag.

BMU: Keine Rechtsunsicherheiten durch neue Klärschlammverordnung

Das BMU stellte auf Anfrage von EUWID klar, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung und die Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung auf den Klärschlamm nach der Abwasserbehandlung beschränken. Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der P-Rückgewinnungspflicht, wie sie die Deutsche Phosphor-Plattform (DPP) und das Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB) kritisiert hatten, seien nicht nachvollziehbar. DPP und KWB hatten deutlich gemacht, dass die wässrigen Verfahren zur P-Rückgewinnung aus dem Abwasser nicht vom Anwendungsbereich der Klärschlammverordnung gedeckt seien. Auch würden Verfahren, die die Effizienz der Klärschlammfaulung erhöhen, durch das 20 g P/kg Trockenmasse-Kriterium verhindert.

Auch sieht das BMU im Hinblick auf eventuelle Entsorgungsengpässe keinen rechtlichen Nachbesserungsbedarf an der Klärschlammverordnung. Die Klärschlammverordnung habe nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf einen Entsorgungsengpass, erklärte das Ministerium auf EUWID-Nachfrage. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hatte zuvor erklärt, durch die Neuregelungen der Klärschlammverordnung und des Düngerechts komme es zu erheblichen Veränderungen im Entsorgungsmarkt von Klärschlämmen. Deutschlandweit hätten Entsorger ihren Kunden, den Abwasserentsorgern, gekündigt, da sie sich nicht mehr in der Lage sähen, die Entsorgungssicherheit zu gewährleisten. Teilweise hätten Ausschreibungen zur Entsorgung von kommunalen Klärschlämmen kein Angebot erhalten. In einigen Regionen Deutschlands sei daher ein Entsorgungsnotstand eingetreten.

Sind weitere Engpässe bei der Klärschlammentsorgung zu erwarten?

Im Oktober 2018 räumte der damalige baden-württembergische Umweltstaatssekretär Andre Baumann ein, dass die Neuregelungen zu „erheblichen Veränderungen im Entsorgungsmarkt für Klärschlamm und einer ansteigenden Verbrennungsquote in Deutschland“ führen. Baden-Württemberg müsse sich angesichts dieser Situation auf Engpässe bei der Entsorgung von Klärschlämmen einstellen. Baumann appellierte an die Betreiber von Kläranlagen, ihre Entsorgungskonzepte für Klärschlamm zu prüfen und gegebenenfalls neu auszurichten.

Der bayerische Gemeindetag hat vor einem Notstand bei der Entsorgung von Klärschlamm im Freistaat gewarnt. „Wir brauchen dringend eine bayerische Gesamtstrategie“, sagte Gemeindetagspräsident Uwe Brandl.

In Norddeutschland hat sich die Situation etwas entspannt. Das erklärten Ralf Hilmer und Rainer Könemann von der DWA im EUWID-Interview Anfang September 2019. Bei vielen Treffen im DWA-Netzwerk Klärschlamm sei nach Lösungen gesucht worden, und es seien viele Kooperationen entstanden.

Das schleswig-holsteinische Umweltministerium (Melund) hat unterdessen mitgeteilt, dass es ein Gutachten zur Entwässerung, Trocknung und Lagerung von Klärschlamm in Auftrag gegeben hat. Das sagte Umweltstaatssekretär Tobias Goldschmidt Mitte Juni 2019 während der dritten Sitzung des Klärschlammbeirats. Das Gutachten soll erläutern, auf welche Weise Klärschlamm dezentral durch Entwässerung und Trocknung vorbehandelt werden kann.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und kommunale Spitzenverbände haben derweil den Entwurf der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) für eine Vollzugshilfe zur Klärschlammverordnung als sehr einseitig kritisiert. Die ab 2029 bzw. 2032 geltenden Regelungen zur thermischen Verwertung von Klärschlamm und zur Phosphorrückgewinnung blieben in der LAGA-Mitteilung nahezu unkommentiert, bemängeln die Verbände. Die mittlerweile von der Umweltministerkonferenz (UMK) verabschiedete Vollzugshilfe finden Sie hier.

Auch die Corona-Krise sorgt für Engpässe bei der Klärschlammentsorgung - zumindest in Ostfrankreich. Dort können seit dem Frühjahr 2020 etwa 170.000 bis 320.000 Tonnen Klärschlamm nicht mehr direkt in der Landwirtschaft verwertet werden. Grund hierfür sei, dass die Unschädlichkeit dieser Schlämme im Hinblick auf das SARS-CoV-2-Virus nicht garantiert ist, erklärte die Wasseragentur Rhein-Maas. Das habe die Nationale Agentur für Ernährung, Umwelt- und Arbeitsschutz ANSES entschieden. Mit Finanzhilfen will die Wasseragentur einen Entsorgungsnotstand abwenden.

Mehr zum Thema Klärschlamm lesen Sie in unserem wöchentlichen Brancheninformationsdienst EUWID Wasser und Abwasser, der in der Regel dienstags als E-Paper und Printmedium erscheint. Die Fachzeitung informiert Leser mit knappem Zeitbudget kompakt über die relevanten Entwicklungen in der Wasser- und Abwasserbranche. Auch unsere Publikation EUWID Recycling und Entsorgung berichtet regelmäßig über das Thema Klärschlamm.

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