EU-Nitratrichtlinie: Kommission stellt Vertragsverletzungsverfahren ein

„Regeln entsprechen den Vorgaben und gehen Nitratbelastung an“

Die Europäische Kommission hat das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Nicht-Einhaltung der EU-Nitratrichtlinie eingestellt. Sie ist der Auffassung, dass die von Bund und Ländern erlassenen Regeln den Vorgaben der Richtlinie entsprechen und der Notwendigkeit gerecht werden, die hohe Nitratbelastung der Gewässer anzugehen, teilte die Kommission Anfang Juni mit.

Die Nitratrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Aktionsprogramme zu erstellen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Verunreinigung des Grundwassers durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen zu verringern, erläuterte die Kommission. Am 21. Juni 2018 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem ersten Verfahren geurteilt, dass Deutschland gegen die Nitratrichtlinie verstoßen hatte. Deutschland habe keine zusätzlichen Maßnahmen unternommen, als deutlich wurde, dass die Maßnahmen des deutschen Aktionsprogramms zur Umsetzung der Richtlinie nicht ausreichten. Im Juli 2019 leitete die Kommission ein zweites Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtbefolgung des Urteils ein.

Regeln werden negative
Auswirkungen auf
Wasserressourcen verringern

Seitdem hat Deutschland sein Aktionsprogramm überarbeitet: Die Düngeverordnung und weitere einschlägige Rechtsvorschriften wurden angepasst, um die Anwendung von angemessener fachlicher Praxis in der Landwirtschaft zu gewährleisten. Dies sei unter anderem durch längere Sperrfristen, in denen gar nicht gedüngt werden darf, ein Düngeverbot für gefrorenen Boden und strengere Regeln zur Düngung von geneigten Flächen erfolgt, erläutert die Kommission. Diese Regeln werden nach Auffassung der EU-Kommission die negativen Auswirkungen auf Boden und Wasserressourcen verringern.

Die Kommission verweist zudem darauf, dass die deutschen Bundesländer die besonders belasteten Gebiete, in denen für die Landwirte strengere Regeln gelten, neu ausgewiesen haben. In diesen Gebieten gilt eine Reihe von bundesweit gleichen strengeren Regeln. Insbesondere ist auf diesen Flächen die Stickstoffdüngung auf 20 Prozent unter dem errechneten Bedarf zu begrenzen – mit Ausnahmen für kleinere Betriebe. Auch sind die Sperrfristen länger.

BMUV und BMEL: Hohe
Strafzahlungen abgewendet

Mit der Einstellung des Verfahrens sind auch die drohenden sehr hohen Strafzahlungen vom Tisch, teilten die Bundesministerien für Umwelt (BMUV) und für Landwirtschaft (BMEL) gemeinsam mit. Die Entscheidung der EU-Kommission bestätige, dass die Bundesregierung jetzt den richtigen Weg eingeschlagen habe, was zukunftsfeste Düngeregeln angeht – mit Blick auf Umwelt, Wasser und Höfe. In den vergangenen Jahren seien die Düngeregeln zwar immer wieder verändert worden, allerdings nicht ausreichend und verlässlich genug, so die Ministerien.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte: „Es war ein sehr langer Weg, mit schwierigen Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Bund, den Bundesländern, den Landwirtinnen und Landwirten, der Wasserwirtschaft und den Umweltverbänden. Insbesondere leisten wir mit den im Rahmen des Verfahrens geänderten Vorschriften einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Gewässer vor Nährstoffeinträgen, aber wir tragen auch in anderen Bereichen zu wichtigen Verbesserungen bei, wie beispielsweise bei der Wasserrahmenrichtlinie und der NEC-Richtlinie“.

Özdemir: Einstellung des
Verfahrens ist ein Etappenziel

Bundeslandwirtschaftminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, nach Jahren der Unsicherheit für Landwirtinnen und Landwirte würden die Düngeregeln nun endlich zukunftsfest, was auch Anerkennung in Brüssel finde. Mit der Änderung des Düngegesetzes habe die Bundesregierung den Grundstein für ein Wirkungsmonitoring und eine verbesserte Stoffstrombilanzverordnung gelegt. Das sei die Basis, um das Verursacherprinzip bestmöglich zu etablieren. „Denn klar ist, die Einstellung des Verfahrens ist ein Etappenziel, das uns Brüssel gesteckt hat, und nicht das Ende. Jetzt geht es darum, mit zukunftsfesten Düngeregeln unsere Umwelt zu schützen und der Landwirtschaft Verlässlichkeit zu geben.“ Hier seien auch die Länder in der Pflicht. Schließlich seien die Nitratwerte mancherorts immer noch zu hoch, und die Landwirtinnen und Landwirte forderten zurecht Regeln, die auch Bestand haben. Özdemir verwies auf das Ziel, dass, wer Wasser schützt, entlastet werden soll.

Das drohende Zwangsgeld wäre im Falle einer Verurteilung Deutschlands im Zweitverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof mit der Festsetzung der Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 17,2 Mio. Euro und einem täglichen Zwangsgeld in Höhe von bis zu 1,1 Mio. Euro ganz erheblich gewesen, so die Ministerien.

Ministerien skizzieren den Vorgang: Änderungen des Düngerechts
waren nicht ausreichend

Deutschland hatte nach der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahren 2013 im Jahr 2017 sein Düngerecht – das Düngegesetz, die Düngeverordnung und die Stoffstrombilanzverordnung – umfassend novelliert, so die Ministerien zum Hintergrund. Die EU-Kommission war jedoch der Auffassung, dass die Änderungen nicht ausreichen würden, um die Vorgaben der Richtlinie zu erfüllen.

Im Juni 2018 folgte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil allen Kritikpunkten der Kommission am deutschen Aktionsprogramm. Die EU-Kommission hatte darüber hinaus beanstandet, dass auch die Novelle aus 2017 dem EuGH-Urteil aus 2018 nicht gerecht werde und in der Folge im Juli 2019 das sogenannte Zweitverfahren gegen Deutschland eingeleitet. 2020 wurde die Düngeverordnung nochmals umfangreich überarbeitet und die Grundlage für die Einführung nitratbelasteter und eutrophierter Gebiete mit strengeren Maßnahmen gelegt und mithilfe einer entsprechenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung nitratbelasteter und eutrophierter Gebiete (AVV GeA) und Anpassungen der Landesdüngeverordnungen umgesetzt.

Nach Überprüfung der Landesverordnungen und der darauf basierenden Gebietsausweisungen in den Ländern forderte die EU-Kommission im Juni 2021 nochmals deutliche Nachbesserungen. Dies betraf vor allem die Größe der mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebiete, in denen strengere Anforderungen an die Düngung gelten. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift sowie die Grundwasserverordnung wurde deshalb in einem letzten Schritt und in enger Abstimmung der EU-Kommission und den Ländern 2022 nochmals überarbeitet, berichten die Ministerien.

VKU: Aufgabe, Nitratproblematik
in den Griff zu bekommen,
bleibt bestehen

Karsten Specht, der Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen, unterstrich, dass mit dem jetzt erreichten Etappenziel die wichtige Aufgabe, die Nitratproblematik in den Griff zu bekommen und damit die Grundwasserkörper als wichtigste Trinkwasserressource besser zu schützen, noch lange nicht erfüllt sei. Bund und Länder müssten alle gegenüber der EU-Kommission versprochenen Maßnahmen rasch und umfassend umsetzen und die anstehende Novelle des Düngerechts ambitioniert angehen. Nur mit einer signifikanten Reduktion der Nitrateinträge könnten die Trinkwasserressourcen auch langfristig geschützt werden. „Angesichts des fortschreitenden Klimawandels dürfen weitere Gewässerbelastungen die blaue Ressource nicht zusätzlich verknappen“, sagte Specht.

BDEW: Umsetzung der
Bundesvorgaben durch
Länder steht noch aus

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert, dass die Bundesländer nun die Bundesvorgaben zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie vollständig umsetzen müssten. Von der EU-Kommission eingefordert gewesen sei eine vollständige Umsetzung der Anforderungen aus AVV GeA durch die Bundesländer. Hier sieht der BDEW nach eigenen Angaben in den vorliegenden Umsetzungen der Bundesländer zum Teil erheblichen Nachbesserungsbedarf.

So fehlen nach Auffassung des Verbandes eine bundeseinheitliche Vorgehensweise bei der Regionalisierung sowie teilweise eine Transparenz bei der Datenverwendung und -bereitstellung. Zudem gelte es, die Messstellendichte zu erhöhen. Der BDEW bemängelt des Weiteren, dass die nachlassende Nitratabbaufähigkeit – die Denitrifikationskapazität – teilweise keine Berücksichtigung finde und teilweise keine Ausweisung eutrophierter Gebiete erfolge.

Backhaus: Jetzt Gemeinsam
mit Landwirtschaft
Nitrateinträge vermeiden

Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) erklärte, MV habe „seine Hausaufgaben gemacht“, indem es eine Düngeverordnung auf den Weg gebracht habe, die dem Schutz des Wassers und den Ansprüchen der EU-Kommission genügt. Jetzt gehe es darum, mit den Landwirten gemeinsam daran zu arbeiten, dass in Zukunft weniger Nitrat in die Böden und damit ins Grundwasser gelangt.

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