Die Einleitung von unbehandeltem Abwasser aus dem Regenüberlauf eines Mischsystems sowie von unzureichend geklärtem Abwasser in Flüsse ist nicht vereinbar mit einer nachhaltigen Gewässerbewirtschaftung. Das sagte Helmut Lehn vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) auf dem ITAS-Themenabend „Abwasser ist mehr als Abfall“ am vergangenen Donnerstag in Karlsruhe. Die hygienische Verunreinigung von Fließgewässern sei heute immer noch ein Problem, dessen Lösung die Abkehr von der Schwemmentwässerung sei.
Lehn wies darauf hin, dass sich die Einhaltung der EU-Badegewässerrichtlinie in erster Linie auf Seen beziehe. Eine Verunreinigung von Flüssen etwa mit E. coli-Bakterien finde kaum Beachtung. Das liege daran, dass Flüsse aus einer mehrtausendjährigen Tradition heraus überwiegend zur Aufnahme mehr oder minder erfolgreich geklärter kommunaler Abwässer verwendet werden. Auch die Kanalisation in den Städten habe sich nach und nach von einem reinen Regenwasser- zu einem Mischsystem entwickelt. Mit der Schwemmentwässerung habe sich damit ein „städtischer Komfort“ eingestellt, der allerdings mit Flussverschmutzung erkauft wurde.
Zwar leisteten Kläranlagen ihren Beitrag zur Klärung des Abwassers aus der Kanalisation. Was aber immer noch unbeachtet bleibe, sei die ausreichende Klärung hygienisch problematischer Organismen, bemängelte Lehn. Hierzu zählen aus seiner Sicht Viren, Bakterien und Protozoen, die zunehmend Resistenzen gegen Antibiotika trügen. Die hygienische Flussverschmutzung durch die Mischkanalisation erfolge somit über zwei Eintragspfade: erstens aus der unvollständigen Reinigung in der Kläranlage und zweitens aus den Mischwasserüberläufen. Damit seien die Städte dafür verantwortlich, dass man in den meisten deutschen Flüssen nicht schwimmen dürfe, resümierte der Wissenschaftler.