„Unser Produkt Wasser wird einfach als zu selbstverständlich wahrgenommen“

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EUWID Wasser und Abwasser hat Karsten Specht, Vizepräsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), auf der IFAT in München zu den Themen Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung im ländlichen Raum, Digitalisierung und Klärschlamm interviewt.

EUWID: Herr Specht, kann die Forderung nach gleichbleibender Qualität der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in ländlichen Gebieten, die von extremen Bevölkerungsrückgang oder -zunahme betroffen sind, auch in Zukunft erfüllt werden?

Karsten Specht: Die nötigen Investitionen sind eine große Herausforderung für die Infrastruktur-Dienstleister. Aber ich kann schon sagen, dass es funktioniert. Was wir allerdings brauchen, ist eine stärkere politische Begleitung in diesem Umstellungsprozess. Denn ich glaube, dass nicht jeder Wasserversorger auf dem Land in der Lage sein wird, die hohen Infrastruktur-Kosten alleine zu tragen. Denn in Gemeinden mit stark schrumpfender Bevölkerung werden die Fixkosten der Infrastruktur zwangsläufig auf immer weniger Schultern verteilt. Trotz steigender Gebühren werden immer weniger Mittel für Infrastruktur zur Verfügung stehen. Dort wird es in Zukunft andere Finanzierungsmöglichkeiten geben müssen. Hier müssen die Länder und der Bund aktiv werden, um ein Ausbluten in den ländlichen Regionen zu verhindern.

In welchen Regionen Deutschlands haben kommunale Versorger bereits jetzt schon Probleme bei der Unterhaltung ihrer Infrastruktur?

Solche Regionen gibt es bereits bundesweit. Auf Niedersachsen bezogen sind dies sicherlich der Harz und auch manche Gebiete in Ostfriesland. Die dortige Situation verdeutlicht, dass es das Gebot der Stunde ist, mehr Kooperationen zwischen den einzelnen Kommunen aufzubauen.

Wie können solche Kooperationen funktionieren?

In erster Linie geht es um ein gemeinsames Verständnis und um Solidarität, die vielfach schon gelebt wird. Sinnvolle Kooperationen werden von  allen Partnern getragen. So kann auch der Fachkräftemangel ausgeglichen und die gleichwertigen Lebensverhältnisse auf dem Land können aufrechterhalten werden.

Herr Specht, was müsste sich grundsätzlich ändern, um die Versorgung mit Trinkwasser in der gleichen Qualität auch in Zukunft aufrecht zu erhalten?

Die Belastung von Wasserressourcen mit Spurenstoffen nimmt immer weiter zu. Unser Produkt Wasser wird einfach als zu selbstverständlich wahrgenommen. Es muss also ein Bewusstsein gefördert werden, dass wir aktiv etwas zum Schutz der Wasserressourcen tun müssen. Hier gibt es aus meiner Sicht noch zu viele politische Kompromisse. Die notwendigen  politischen Entscheidungen werden noch nicht getroffen.

Für den VKU ist es wichtig, das Verursacherprinzip bei der Verunreinigung von Gewässern und Grundwasser Anwendung findet. Auch gilt, dass je weniger Spurenstoffe, Rückstände von Medikamenten und Mikroplastik in das Wasser gelangen, desto besser stehen die Chancen für Preisstabilität. Wenn wir unsere Wasserressourcen konsequent schützen, muss viel weniger Aufwand bei der Aufbereitung von Trinkwasser betrieben werden.

Nun zu einem anderen Thema: Können Sie verstehen, dass manche kleineren Kommunen von den Veränderungen im Umgang mit Klärschlamm überrascht sind, insbesondere im Hinblick auf die nun strengeren Regelungen im Düngerecht bezüglich der Verwertung von Klärschlamm.

Ich kann das nachvollziehen, wenn einzelne Kommunen, die die Veränderungen im Düngerecht nicht eng verfolgt haben, von dieser Entwicklung überrascht sind. Was wirklich überraschend war, ist, dass die Verschärfung der Düngemittelverordnung dazu führt, dass viele Verträge für die landwirtschaftliche Ausbringung von Klärschlamm sehr schnell gekündigt wurden. Dieses schnelle Tempo hat die ganze Branche überrascht. Dass wir so schnell in einen Entsorgungsnotstand für Klärschlamm kommen, das hat niemand vorhergesehen.

Was sind die Lösungen für den aktuellen Entsorgungsnotstand?

Es müssen neue Verbrennungsanlagen gebaut werden, denn die bestehenden Anlagen sind schon ausgelastet. Das ist die einzige Lösung. In der Zwischenzeit müssen Lagermöglichkeiten für getrockneten Klärschlamm geschaffen werden, denn die meisten Anlagen werden erst in einigen  Jahren fertig sein. Die Situation wird derzeit auch dadurch verschärft, dass viele Verbrennungsanlagen in Revisionszyklen sind und nicht in voller Auslastung laufen können – es werden also händeringend Zwischenlagermöglichkeiten gesucht, um diese Jahre zu überbrücken.

Vielen Dank für das Interview!

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