ver.di zu Abwasserrichtlinie: Formulierung der Herstellerverantwortung wirft noch Fragen auf

Eckpunkte für einheitliche Umsetzung notwendig

Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die im Kommissionsentwurf der Kommunalabwasserrichtlinie enthaltene erweiterte Herstellerverantwortung. Damit werde endlich dem Verursacherprinzip Genüge getan, heißt es in der Stellungnahme der Gewerkschaft. Allerdings werfe die konkrete Formulierung viele Fragen auf, denn es werde nicht klar, wer die von den Herstellern zu deckenden Gesamtkosten feststellt, wer die zu leistenden Abgaben vereinnahmt und wer sie wann und nach welchen Kriterien an die Betreiber der Anlagen der vierten Reinigungsstufe ausreicht. Die Richtlinie müsse dazu Eckpunkte vorgeben, um eine einheitliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

Laut ver.di dürfen die zahlenden Hersteller keinen Einfluss auf die Vergabe der Mittel haben. Bei der Abwasserreinigung handle es sich um eine öffentliche Aufgabe, die von der öffentlichen Hand wahrgenommen werden müsse. Die Vergabe der Mittel muss im Interesse der Allgemeinheit durch eine öffentliche Institution erfolgen. Nur so ist auch Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Kläranlagenbetreibenden gewährleistet.

Verpflichtung zu weiterer Behandlung
sollte entfallen, wenn Ziel erreicht ist

Idealerweise stelle die erweiterte Herstellerverantwortung einen starken Vermeidungsanreiz dar und führe langfristig dazu, dass Mikroschadstoffe nicht mehr im Abwasser vorkommen und so der Bau teurer Behandlungsanlagen unterbleiben kann, heißt es in der Stellungnahme weiter. Auch diesen Fall sollte die Richtlinie abbilden, indem die Verpflichtung zur zusätzlichen Behandlung dann entfallen sollte.

Des Weiteren sollte nach den Vorstellungen der Gewerkschaft der Grenzwert für die Befreiung von der erweiterten Herstellerverantwortung von zwei Tonnen pro Jahr geprüft werden. Der Grenzwert müsse für die EU-weite Produktion gelten und dürfe nicht auf die Produktion in einzelnen Mitgliedstaaten bezogen sein. Auch muss er für online-liefernde Hersteller gelten, fordert ver.di. Für besonders schädliche und persistente Stoffe darf es keine Befreiung geben.

„Ergänzende Steuerfinanzierung
muss zulässig sein“

Die Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung ist laut ver.di Voraussetzung für die Verpflichtung zu einer vierten Reinigungsstufe. Eine ergänzende Steuerfinanzierung muss nach Auffassung der Gewerkschaft zulässig sein. Die Daseinsvorsorge müsse für die Nutzenden - auch

bei kleinen Abwasserentsorgern - bezahlbar bleiben. Der Kommissionsvorschlag würde trotz sehr guter Umsetzung der geltenden Richtlinie in Deutschland erhebliche Investitionen in neue Infrastruktur nach sich ziehen, die allein aus Gebühren nicht finanzierbar seien. Dem müsse die Richtlinie Rechnung tragen, heißt es in der Stellungnahme.

Energieneutralität für
jede Branche konkret festlegen

Das Ziel der Energie- und damit Klimaneutralität der Branche, das laut ver.di sehr zu begrüßen ist, sollte für jede Branche konkret festgelegt werden. Allerdings stellten erweiterte Abwasserbehandlung und Energieneutralität einen Zielkonflikt dar, da die Ozonierung und Aktivkohlebehandlung einen hohen Energiebedarf haben, gibt die Gewerkschaft zu bedenken.

Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten beim Grad der Umsetzung der geltenden Kommunalabwasserrichtlinie wird nach Auffassung von ver.di erforderlich sein, die Mitgliedstaaten ohne durchgehende dritte Reinigungsstufe massiv zu unterstützen, damit sie die neue Richtlinie mittragen können.

Pflicht zur Sanitärversorgung
schutzbedürftiger Gruppen erfordert
finanzielle Unterstützung

Eine finanzielle Unterstützung der Kommunen durch Bund und Länder hält ver.di auch im Hinblick auf den neuen Artikel 19 für notwendig, mit dem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden sollen, den Zugang zur Sanitärversorgung für alle, insbesondere für schutzbedürftige und marginalisierte Gruppen, zu verbessern und zu erhalten. Bis zum 31. Dezember 2027 müssen demnach die Mitgliedstaaten auch Personengruppen, die keinen oder nur begrenzten Zugang zur Sanitärversorgung haben, ermitteln, die Möglichkeiten zur Verbesserung des Zugangs zu sanitären Einrichtungen für diese Personengruppen bewerten und die Errichtung von frei und sicher zugänglichen sanitären Einrichtungen im öffentlichen Raum in allen Gemeinden mit 10.000 EW und mehr fördern. Diese Frist sollte nach Auffassung von ver.di keinesfalls verlängert werden.

In der EU haben nach wie vor etwa zehn Millionen Menschen keinen Zugang zu Sanitärversorgung; in Deutschland gelte das vor allem für obdachlose und nichtsesshafte Menschen, heißt es in der Stellungnahme. Hygienecenter für obdachlose Menschen müssten mehr als sanitäre Einrichtungen sein; vielmehr seien auch Reinigungs- und Sicherheitspersonal sowie sozialpsychiatrische Betreuung nötig.

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