Bundesverwaltungsgericht: Behörde kann Gewässerschutzmaßnahmen zu Lasten eines alten Wasserrechts anordnen

Beschwerde der EnBW gegen Urteil des VGH Baden-Württemberg zurück

Will ein Wasserkraftwerksbetreiber einerseits keine neuen kostspieligen Investitionen tätigen und andererseits im bisherigen Umfang Strom produzieren, ist dieses Vorgehen durch ein altes Wasserrecht eigentumsrechtlich nicht geschützt. Diese Auffassung des VGH Baden-Württemberg hat das Bundesverwaltungsgericht mit einem aktuell veröffentlichten Beschluss bestätigt (Aktenzeichen BVerwG 7 B 14.21 vom 9.5.2022). Auch der Inhaber eines alten Wasserrechts kann sich demnach nicht mit Erfolg darauf berufen, die zur Wiederherstellung bzw. Gewährleistung der für die Durchgängigkeit erforderlichen Maßnahmen seien unwirtschaftlich.  

Die klagende Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) betreibt an der Aitrach, einem Nebenfluss der Iller, auf der Grundlage eines Altrechts aus dem Jahr 1910 ein sogenanntes Ausleitungskraftwerk zur Stromproduktion für das öffentliche Netz. Dazu wird die Aitrach an dem Wehr bei Flusskilometer 4,6 aufgestaut, das Wasser über einen Kanal zu einer Stahlrohrleitung und über diese zur eigentlichen Wasserkraftanlage T 162 (WKA) mit 2 Francis-Turbinen (Schluckvermögen jeweils 3000 l/s) geführt und bei Flusskilometer 1,4 wieder in das Mutterbett der Aitrach eingeleitet. In der Vergangenheit wurde lediglich eine Mindestwassermenge von 100 l/s über die Fischtreppe am Wehr in das Mutterbett der Aitrach, die Ausleitungsstrecke, abgegeben.

Anfang der 1990er Jahre beklagte sich die Gemeinde Aitrach darüber, dass die Durchgängigkeit der Aitrach wegen der zu geringen Wassermenge für Fische und Gewässerorganismen nicht mehr gewährleistet sei.

Wasserbehörde setzt
Mindestwassermenge
für die Ausleitungsstrecke fest

Ende 2007 ordnete das Landratsamt Ravensburg gegenüber der Klägerin an, dass in der Ausleitungsstrecke, dem Mutterbett der Aitrach, in der Zeit vom 15. März bis zum 15. Juni eine Mindestwassermenge von 1.500 l/s und in der Zeit vom 16. Juni bis zum 14. März von 1.000 l/s zu belassen sei. Der jeweilige Mindestabfluss müsse die Durchgängigkeit der Aitrach im Mutterbett und des Wehrs mit der Fischaufstiegsanlage für die Bachforelle, Groppe, Äsche, Nase und Barbe gewährleisten.

Am Wehr sei eine funktionsfähige Fischaufstiegsanlage herzustellen, die dessen Durchgängigkeit für diese Fischarten sicherstelle. Die Pläne zur Umsetzung der angeordneten Maßnahmen seien innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der unteren Wasserbehörde vorzulegen.

Der Widerspruch der Klägerin dagegen blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen gab der Klage teilweise statt (Aktenzeichen 1 K 3416/15 vom 29.11.2017); der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg änderte das Urteil und wies die Klage in vollem Umfang ab (Aktenzeichen 3 S 2506/18 vom 24.3.2021). Der VGH führte in seinem Urteil unter anderem an, dass die Durchgängigkeit eines Gewässers eine zwingende Mindestvoraussetzung für die Zulassung der im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) genannten Gewässerbenutzungen sei. Der Verwaltungsgerichtshof ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu: Dagegen richtet sich die Beschwerde der Wasserwerksbetreiberin vor dem BVerwG.

Behörde kann Maßnahmen zu
Lasten eines Altrechts anordnen

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Urteil des VGH stütze sich darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof die tatbestandlichen Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung einer Mindestwassermenge für die Ausleitungsstrecke nach § 20 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Buchst. des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) als gegeben ansieht, führt das Bundesverwaltungsgericht aus. Nach diesen Vorschriften kann die zuständige Behörde zu Lasten eines Altrechts Maßnahmen anordnen, die zum Ausgleich einer auf die Benutzung eines Gewässers zurückzuführenden nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaften erforderlich sind.

Behörde hat Beurteilungsspielraum

Der Verwaltungsgerichtshof - und auf diesen Prüfungspunkt beziehe sich die Beschwerde - bejahe auch die Rechtmäßigkeit der konkreten Bestimmung der Mindestwassermenge durch die Behörde, der insoweit ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die durchgeführte Mengenfestlegung nach dem „Verfahren Casimir“ wahrt dem Bundesverwaltungsgericht zufolge den dabei zu beachtenden rechtlichen Rahmen. Nach diesem Verfahren werde ermittelt, ob in einem Gewässer die für gewässertypische Leit- und Begleitfischarten - hier: Bachforelle, Äsche, Groppe und Nase - erforderlichen Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten erreicht werden bzw. welche Mindestwassermenge - hier in der Ausleitungsstrecke – dafür erforderlich ist, erläutert das BVerwG.

Verlust des alten Wasserrechts durch effizientere Gewässernutzung nicht entscheidungserheblich

Auch habe die Rechtssache nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob der Inhaber eines alten Wasserrechts zur Rechtfertigung ökologischer Verbesserungen auf technische Änderungsmöglichkeiten zur effizienteren Gewässernutzung verwiesen werden dürfe, obwohl diese potentiell dazu geeignet sind, die das alte Wasserrecht bestimmenden Parameter zu ändern und damit der Verlust des alten Wasserrechts eintritt, ist dem BVerwG zufolge nicht entscheidungserheblich....

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