Generalanwältin am EuGH: Vorhaben muss Trinkwasserschutz berücksichtigen

Schlussanträge im Vorabentscheidungsersuchen zum Cottbuser Ostsee

Trinkwasserversorger können auf Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verlangen, dass die für die Genehmigung eines Vorhabens verantwortliche Behörde die Anforderungen der Trinkwasserrichtlinie erfüllt. Falls erforderlich, können die Versorger dafür Klage vor einem zuständigen Gericht erheben, heißt es in den Schlussanträgen, welche die Generalanwältin vor dem Europäischen Gerichthof (EuGH) Laila Medina, Anfang März im Fall des Rechtsstreits um den Cottbuser Ostsee vorgelegt hat (Rechtssache C‑723/21).

Im Rechtsstreit um die Herstellung und Flutung des Cottbuser Ostsees hatten die Stadt Frankfurt (Oder) und der Wasserversorger FWA mbH im Jahr 2019 Klage gegen den Genehmigungsbeschluss beim VG Cottbus eingereicht, da aus ihrer Sicht der Schutz der Trinkwassergewinnung nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Hintergrund war die Befürchtung, dass es durch das Gewässerausbauvorhaben zu einer erhöhten Sulfatbelastung des im Wasserwerk Briesen gewonnenen Trinkwassers und damit zu einem erhöhten Aufwand für die Trinkwasseraufbereitung, insbesondere durch die Erschließung spreeunabhängiger Wasserquellen, kommen könnte.

Das Verwaltungsgericht Cottbus hatte in dem Klageverfahren die Frage, ob damit ein Verstoß gegen die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vorliegen könnte, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt. Zwischenzeitlich haben sich die Stadt Frankfurt (Oder), die Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mbH (FWA) und die Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) außergerichtlich geeinigt, und die Klage wurde zurückgezogen; die Schlussanträge der Generalanwältin mit der Stellungnahme zu grundsätzlichen Fragestellungen liegen aber nun vor.

Fragen zu Verschlechterungsverbot und Trinkwasserschutz

Das Verwaltungsgericht Cottbus wollte wissen, welche über Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hinausgehenden Pflichten des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie mit der Folge zu entnehmen sind, dass sie in einem Vorhabenzulassungsverfahren zu berücksichtigen sind. Nach Artikel 7 zu Gewässern für die Entnahme von Trinkwasser müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass über das Verschlechterungsverbot in Artikel 4 jeder Wasserkörper unter Berücksichtigung des angewandten Wasseraufbereitungsverfahrens auch die Anforderungen der Trinkwasserrichtlinie erfüllt.

Pflicht gilt unabhängig von Lage in Wasserschutzgebiet

Den Schlussanträgen der Generalanwältin zufolge enthält Art. 7 Abs. 3 ein Verbot der Verschlechterung der Wasserqualität. Denn die Genehmigung eines konkreten Vorhabens, das zu einer solchen Verschlechterung führen kann, hindere einen Mitgliedstaat daran, der Pflicht zur Verringerung des Umfangs der für die Trinkwassergewinnung erforderlichen Aufbereitung nachzukommen.

Zu den notwendigen Schutzmaßnahmen gehöre die verbindliche Pflicht der Mitgliedstaaten, konkrete Vorhaben, die sich nachteilig auf die Qualität für die Trinkwassergewinnung genutzter Wasserkörper auswirken können, vorab zu prüfen, und zwar unabhängig davon, welche Art von Wasser in solchen Wasserkörpern vorhanden ist. Diese Pflicht gelte auch unabhängig davon, ob sich der betreffende Wasserkörper innerhalb oder außerhalb eines Wasserschutzgebiets befindet.

Anpassung des
Aufbereitungsverfahrens notwendig

Eine Verschlechterung der Wasserqualität liege vor, wenn ein Vorhaben geeignet ist, die in der Trinkwasserrichtlinie festgelegten Parameter zu überschreiten, stellt die Generalanwältin fest. Eine solche Überschreitung begründe eine Verschlechterung jedoch nicht allein auf der Grundlage des für einen Schadstoff wie Sulfat festgelegten Wertes. In solch einem Fall müsse, um eine Verschlechterung der Wasserqualität feststellen zu können, ein Risiko für die menschliche Gesundheit bestehen, und infolgedessen sei zur Vermeidung eines solchen Risikos eine Anpassung des Aufbereitungsverfahrens notwendig.

Im Fall eines Schadstoffs, bei dem Zweifel hinsichtlich seiner nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bestehen, könne der ermittelte Parameterwert - wie derjenige, der für Sulfat festgelegt ist -, als Indikator für eine präventive Einschätzung zur Feststellung von Risiken für die Verschlechterung der Wasserqualität dienen.

Prüfung darf nicht erst nach
Zulassungsentscheidung erfolgen

Die zuständige Behörde sei verpflichtet, während des Planfeststellungsverfahrens – und damit, bevor die eigentliche Zulassungsentscheidung getroffen wird – zu prüfen, ob das betreffende Vorhaben die Einhaltung der Pflichten beeinträchtigen kann, heißt es in den Schlussanträgen. Es sei nicht zulässig, dass eine solche Prüfung erst nach der Zulassungsentscheidung erfolgt. Insbesondere könne ein Vorhaben nur zugelassen werden, wenn es ein Bündel notwendiger Maßnahmen enthält, mit dem sichergestellt wird, dass die Einhaltung der Trinkwasserrichtlinie nicht beeinträchtigt wird.

Indikatorparameter für Sulfat
von 250 mg/l zu berücksichtigen

Die Generalanwältin stimmt den Schlussanträgen zufolge mit der Europäischen Kommission darin überein, dass der Indikatorparameter für Sulfat von 250 mg/l in der Trinkwasserrichtlinie zur Einschränkung eines Schadstoffs wie Sulfat und für die Bestimmung einer Verschlechterung im Sinne der WRRL relevant ist. Dieser Indikatorparameter sei im Zusammenhang mit der Trinkwassergewinnung zu berücksichtigen.

Daraus folge, dass der Zusammenhang zwischen der WRRL und der Trinkwasserrichtlinie auch eines der Elemente für die Feststellung der Verschlechterung der Wasserqualität darstelle und dass dieser Zusammenhang hilfreich sei, um zu bestimmen, wie sich dieser Indikatorparameter auf das Genehmigungsverfahren für konkrete Vorhaben auswirken kann.

Art. 7 Abs. 2 fügt  dem Art. 4
eine weitere Dimension hinzu

Das für den menschlichen Gebrauch gewonnene und aufbereitete Wasser müsse letztlich den Anforderungen der Trinkwasserrichtlinie entsprechen, d. h., für den menschlichen Gebrauch geeignet sein. So füge Art. 7 Abs. 2 WRRL dem Art. 4 der Richtlinie eine weitere Dimension hinzu, die insbesondere die menschliche Gesundheit betreffe und auf der Trinkwasserrichtlinie beruhe. Es bestehe damit nicht nur eine Pflicht zum Schutz eines Wasserkörpers nach Art. 4, wie sie dort im Einzelnen geregelt ist, sondern auch zur Aufbereitung dieses Wasserkörpers nach Art. 7 Abs. 2, um die Anforderungen der Trinkwasserrichtlinie zu erfüllen.

Daher sei Art. 7 Abs. 2 WRRL entgegen dem Vorbringen der LEAG nicht lediglich deklaratorisch, stellt die Generalanwältin fest. Damit sei der Artikel im Verlauf des Planfeststellungsverfahrens bei der Prüfung der Frage, ob die Folgen der Umsetzung des betreffenden Vorhabens das für einen Wasserkörper zur Erreichung der Ziele der Trinkwasserrichtlinie geltende Aufbereitungsverfahren beeinträchtigen können, ebenfalls zu berücksichtigen. 

Die Schlussanträge der Generalanwältin finden Sie hier: link.euwid.de/2b2pg

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