Oberverwaltungsgericht betont Bedeutung von DWA-Vorgaben für die Versickerung

OVG M-V: Keine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang

Wenn Rigolen nicht den Vorgaben der DWA entsprechen, kann nicht von einer Versickerung ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit ausgegangen werden. Dies gilt, wenn die Rigolen sowohl im Hinblick auf die generelle Zulässigkeit der Nutzung dieser Versickerungsmöglichkeit als auch im Hinblick auf die tatsächliche Bauausführung nicht den DWA-Vorgaben entsprechen, heißt es in einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, gegen das die Revision nicht zugelassen wurde (Aktenzeichen: 1 LB 194/21 OVG vom 7.3.2023).

Wie das OVG ausführt, wandten sich die Kläger, Gesellschafter einer GbR und je zur Hälfte Eigentümer eines 5.313 qm großen Grundstücks, gegen Bescheide der Gemeinde, die den Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung durchsetzen sollten.

Das Grundstück der Kläger ist überwiegend mit einem Wohn- und Geschäftshaus sowie Parkflächen bebaut, bei denen auch Grundstücksentwässerungsanlagen zur gesammelten Fortleitung des darauf anfallenden Niederschlagswassers vorhanden sind. Über einen Grundstücksanschluss besteht für das Grundstück die Möglichkeit der Anschlussnahme an den Niederschlagswasserkanal der öffentlichen Abwasseranlage; tatsächlich erfolgt aber eine Versickerung.

Gemeinde verlangt Anschluss

Nachdem die beteiligte Untere Wasserbehörde des Landkreises Vorpommern-Greifswald der Gemeinde mitgeteilt hatte, dass eine Beeinträchtigung von Gebäuden der näheren Umgebung wegen der Oberflächennähe des Grundwassers, in das die Versickerung erfolgt, nicht auszuschließen sei, verpflichtete die Gemeinde die Eigentümer im März 2020 jeweils zum vollständigen Anschluss des Grundstückes an die öffentliche Abwasseranlage bis zum 30. April 2020. Eine Befreiung vom Anschlusszwang komme nicht in Betracht.

Gegen diese Bescheide legten die Eigentümer Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründeten, dass die Grundstücksentwässerungsanlage schon in der Bauphase durch die Stadtwerke, die für die Abwasserbeseitigung zuständig sind,  baulich begleitet worden sei. Nach Fertigstellung sei eine Abnahme durch diese erfolgt. Die Gemeinde wies diese Darstellung zurück; eine Abnahme sei nicht erfolgt.

VG Greifswald hebt Bescheide auf

Das Verwaltungsgericht Greifswald hob die Bescheide auf die Klage der Eigentümer hin mit einem Urteil auf (Aktenzeichen: 2 A 608/20 HGW vom 3.2.2021). Die Gemeinde habe ihre Ermessensentscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass auch die für die Genehmigung zum Einleiten des Niederschlagswassers in das Grundwasser zuständige Untere Wasserbehörde des Landkreises Vorpommern-Greifswald ihre Auffassung teile, dass eine Beeinträchtigung von Gebäuden in der Nachbarschaft des Grundstückes durch die Entwässerung über die Rigolen nicht ausgeschlossen werden könne, so das Verwaltungsgericht. Dass diese Erwägung nur eine von mehreren selbstständig tragenden Erwägungen sein solle, lasse sich den Bescheiden nicht hinreichend deutlich entnehmen, heißt es in dem Urteil.

Die danach maßgebliche Annahme der Gemeinde treffe im Ergebnis nicht zu. Die Untere Wasserbehörde gehe nach den ihr vorliegenden Unterlagen von einem Abstand von 1,30 m (Rigole 1) und 1,10 m (Rigole 2) zwischen der Unterkante der Rigole und dem mittleren höchsten Grundwasserstand aus. Eine Beeinträchtigung von Gebäuden sei nicht zu erwarten. Soweit die Beklagte nunmehr auf Anhaftungen der eingesetzten Laugen und Salze an Rädern und Karosserien abstelle, sei diese Problematik nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides gewesen, so das Verwaltungsgericht.

OVG: Bescheide vom
Verwaltungsgericht zu
Unrecht aufgehoben

Dem OVG zufolge hat das Verwaltungsgericht die Bescheide zu Unrecht aufgehoben. Die Voraussetzung für eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, dass das Niederschlagswasser ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit versickert, verrieselt oder in ein Gewässer eingeleitet werden kann, liegt dem Urteil zufolge nicht vor. Der Nachweis sei dabei von dem Nutzungsberechtigten zu erbringen; und diesen Nachweis hätten die Kläger vorliegend nicht erbracht. Auch aus dem vorgelegten hydrogeologischen Bericht ergibt sich dies dem VGH zufolge nicht eindeutig.

Der Nachweis der gemeinwohlverträglichen Versickerung, Verrieselung oder Gewässereinleitung könne etwa auch in einer entsprechenden wasserrechtlichen Erlaubnis bestehen - Eine solche liege hier jedoch nicht vor. Das OVG weist darauf hin, dass sich die Untere Wasserbehörde des Landkreises Vorpommern-Greifswald verschiedentlich zu der errichteten Anlage der Kläger geäußert habe, insbesondere auch im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht. Dort habe sie mitgeteilt, dass mit der Übermittlung des hydrogeologischen Berichtes zunächst bestehende Hinderungsgründe hätten ausgeschlossen werden können. Aufgrund noch fehlender Unterlagen könne jedoch noch kein abschließendes Ergebnis mitgeteilt werden. Aus alledem ergibt sich bis heute keine finale wasserrechtliche Genehmigung, stellt der VVGH fest.

OVG verweist auf
Arbeitsblatt DWA-A 138

Der Annahme einer gemeinwohlverträglichen Versickerung des Niederschlagswassers auf dem Grundstück der Kläger stehen dem OVG zufolge zudem die Vorgaben der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) entgegen, und zwar konkret das Arbeitsblatt DWA-A 138 zu Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser.

Zwar sprächen aufgrund der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks als Logistik-Zentrum für Brief- und Paketzustellungen durchaus Aspekte für die Einordnung der klägerischen Flächen als „Pkw-Parkplätze mit häufigem Fahrzeugwechsel“; das OVG nimmt jedoch nach eigenen Angaben aufgrund der Mischnutzung als Wohn- und Geschäftshaus hier an, dass es sich bei dem Grundstück um die Flächenkategorie „Hofflächen und Pkw-Parkplätze ohne häufigen Fahrzeugwechsel sowie wenig befahrene Verkehrsflächen in Wohn- und vergleichbaren Gewerbegebieten“ handelt. Dort ist die Versickerung von Niederschlagswasser mittels Rigolen nur in Ausnahmefällen zulässig.

Das Vorliegen eines Ausnahmefalles sei hier nicht ersichtlich, so das OVG. Eine Versickerung des Niederschlagswassers ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit könne damit bereits aufgrund der laut DWA-Vorgaben vorliegenden Unzulässigkeit der Versickerung mittels Rigolen nicht angenommen werden.

Mindestabstand nicht eingehalten

Darüber hinaus entspreche auch die tatsächliche Bauausführung der Rigolen nicht den Vorgaben der DWA. Der Mindestabstand von 1,00 m zwischen der Unterkante der Rigole und dem Mittleren Höchsten Grundwasserstand (MHGW), den das Arbeitsblatt DWA-A 138 hinsichtlich des einzuhaltenden Grundwasserabstandes vorsehe, werde nicht eingehalten.

Das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern lesen Sie hier: link.euwid.de/cpxwj

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