OVG lehnt Antrag auf Beweisverfahren zu Straßenentwässerung ab

Weitere Sachaufklärung grundsätzlich Aufgabe der Verwaltungsbehörde

Das Oberverwaltungsgericht Niedersachen hat den Antrag von Grundstückseigentümern, ein Sachverständigengutachten über die Straßenentwässerung einzuholen, abgelehnt. Ein rechtliches Interesse für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor der Anhängigkeit eines Rechtsstreits ist grundsätzlich zu verneinen, wenn dieses Fragen betrifft, denen die Behörde im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nachzugehen hat, heißt es in dem unanfechtbaren Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen (Aktenzeichen 7 OB 33/23 vom 24.7.2023).

Die Antragsteller, Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks, begehren die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Entwässerung, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Sie waren von der Stadt im Februar und im Juni 2022 über vom Rat beschlossene Sanierungsarbeiten u.a. an den Entwässerungsanlagen informiert worden. Für die Oberflächenentwässerung sollten Sickermulden errichtet werden - so auch vor dem Grundstück der Antragsteller. Die Eigentümer wandten sich gegen die geplante Maßnahme und gaben zu bedenken, dass die bisher vorhandenen Sickermulden bei Regen vollliefen und überlaufendes Wasser verstärkt in den Keller ihres Wohnhauses abfließe. Der Zustand werde sich bei einer Realisierung der Ausbaumaßnahme nicht verbessern.

„Wohnhaus bei Starkregen bis
zur Unbewohnbarkeit geschädigt“

Die Eigentümer beantragten im Februar 2023 beim Verwaltungsgericht Lüneburg die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens. Dabei sollte ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt werden zum Nachweis ihrer Behauptungen, dass durch die geplanten und teilweise bereits in Bau befindlichen Sickermulden nicht gewährleistet sei, dass Oberflächenwasser über die Sickermulden abgeführt werde. Insbesondere bei Starkregenereignissen oder länger andauernden Niederschlägen könne das anfallende Oberflächenwasser nicht über die Sickermulden aufgefangen werden; es fließe dann auf das Grundstück der Antragsteller ab. Dadurch werde das auf ihrem Grundstück stehende Haus bis zur Unbewohnbarkeit geschädigt.

Beweisaufnahme muss bei
der Behörde durchgeführt werden

Das Verwaltungsgericht Lüneburg lehnte den Antrag mit Beschluss vom 30. März 2023 (Aktenzeichen 3 E 1/23) ab, und auch die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Wie das OVG feststellt, sei es grundsätzlich Aufgabe der Verwaltungsbehörde, im Rahmen der Amtsermittlung, falls erforderlich, weitere Sachaufklärung zu betreiben und gegebenenfalls ein Gutachten einzuholen, denn die Behörde habe auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Ein rechtliches Interesse für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor der Anhängigkeit eines Rechtsstreits ist dem OVG zufolge damit grundsätzlich zu verneinen, wenn dieses Fragen betrifft, denen die Stadt im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nachzugehen hat. Die erforderliche Beweisaufnahme könne und müsse insoweit bei der Stadt durchgeführt werden. Eine Verlagerung der Sachverhaltsaufklärung auf das Verwaltungsgericht liefe dem gesetzlich vorgesehenen Verfahrensablauf damit grundsätzlich zuwider.

Eine Ausnahme davon gelte, wenn der Antragsteller glaubhaft machen könne, dass die Behörde unter Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes gar nicht oder fehlerhaft ermittelt. Dann könne das notwendige rechtliche Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens bejaht werden.

Straßenentwässerung
nicht „planlos" durchgeführt

Nach diesen Maßstäben habe das Verwaltungsgericht das erforderliche rechtliche Interesse der Antragsteller an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zu Recht verneint, so das OVG. So werde die Straßenentwässerung über Sickermulden nicht „planlos" durchgeführt. Vielmehr seien umfassende Ermittlungen und fachliche Beurteilungen durch die Stadt vorausgegangen.

So habe sie Einbau und Dimensionierung der Sickermulden ingenieurtechnisch prüfen lassen, wobei auch die Versickerungsfähigkeit des Bodens beurteilt wurde. Nachdem die Eigentümer Bedenken gegen die Sickermulden geäußert und sich mit ihnen nicht einverstanden erklärt hatten, sei die Maßnahme nochmals einer fachlichen Beurteilung unterzogen worden.

In einer E-Mail der beauftragten Ingenieurgesellschaft hieß es dann, dass die geplanten Entwässerungsmulden dazu dienen würden, das Wasser von der Straße aufzunehmen und der Versickerung zuzuführen, schreibt das OVG. Ein kurz- bis mittelfristiger Anstau in den Mulden sei weder für die Bebauung auf dem Grundstück noch für die Straße schädlich. Sollte ein Starkregenereignis auftreten, könne es zu partiellen Rückstauungen auf den Straßenflächen kommen, die sich jedoch nach kurzer Zeit in die Mulden zurückziehen würden. Die Zufahrten und Zuwege seien so angelegt, dass das Wasser aus den „kommunizierende Mulden“ auch in die nächste Mulde weiterfließen könne, ohne auf das Grundstück zu fließen. Dies werde durch die entsprechenden Höhensituationen und die an einigen Stellen geplanten Entwässerungsrinnen realisiert.

Kein weiterer Aufklärungsbedarf
zu erkennen

Auf der Grundlage dieser nochmaligen fachlichen Stellungnahme habe die Stadt davon ausgehen können, dass die geplante Entwässerungsmaßnahme - insbesondere in Höhe des Grundstücks der Antragsteller - den anerkannten Regeln der Technik entspricht und nicht zu unzumutbaren Gefährdungen der anliegenden Grundstücke durch abfließendes Oberflächenwasser führt, und sie mithin den technischen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung nach dem Niedersächsischen Straßengesetz (NStrG) genügt. Ein weiterer Aufklärungsbedarf ist nach Auffassung des OVG nicht zu erkennen. Für eine Vernachlässigung der Amtsermittlungspflicht durch die Stadt, die von den Antragstellern darzulegen und glaubhaft zu machen wäre, spreche nichts.

Für die Behauptung der Eigentümer, durch die nach ihrer Auffassung zu befürchtenden Ereignisse werde das auf ihrem Grundstück stehende Haus „bis zur Unbewohnbarkeit“ geschädigt, fehle es an nachvollziehbaren Anhaltspunkten. Ihre Behauptung, ihr Grundstück sei bereits in der Vergangenheit überflutet worden und ihr Wohnhaus für Monate unbewohnbar gewesen, hätten sie durch nichts belegt, und es erschließe sich auch nicht, was unter einer Schädigung „bis zur Unbewohnbarkeit“ verstanden werden soll, heißt es in dem Beschluss.   

Den Beschluss des OVG Niedersachsen finden Sie hier: link.euwid.de/eplqg

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