Urteil: Auch der Besitzer eines Grundstücks kann Schuldner von Abwassergebühren sein

Ausfallhaftung, wenn der Eigentümer nicht leistungsfähig ist

Auch der Besitzer eines Grundstücks und nicht nur ein Eigentümer kann Gebührenschuldner sein. Das hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht in einem Urteil zu Niederschlagswassergebühren festgestellt, gegen das die Revision nicht zugelassen wurde (Aktenzeichen 5 A 249/18 vom 23.11.2022).

Die beklagte Stadt Dresden wandte sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden (Aktenzeichen 13 K 1981/16 vom 18.12.2017), mit dem ein Niederschlagswassergebührenbescheid aufgehoben worden war.

Wie das OVG ausführt, war ursprünglich eine Wohnungsverwaltungsgesellschaft als AG im Grundbuch eingetragen, über die 1995 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde. Für das betreffende Grundstück war ab dem 30. April 2014 die Zwangsversteigerung betrieben worden; im September 2016 wurde das Grundstück dann zwangsversteigert. Die Klägerin war im Veranlagungszeitraum, vor dem Wechsel des Eigentums im Rahmen der Zwangsversteigerung, Vermieterin der Gewerbeeinheiten des auf dem Grundstück befindlichen Gewerbeparks.

Satzung: Gebührenschuldner
kann auch der Besitzer sein

Von Mitte 2014 bis Anfang 2015 setzte die Stadt bzw. ihr Eigenbetrieb Stadtentwässerung gegenüber der Klägerin für das Grundstück Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2010 bis 2014 in Höhe von jeweils 18.591,69 Euro fest. Gestützt wurden die Gebührenbescheide auf die Abwassergebührensatzung der Stadt, die regelt, dass Gebührenschuldner Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigte sowie die sonst dinglich zur baulichen Nutzung des Grundstücks Berechtigten sind - Gebührenschuldner aber auch der Besitzer des Grundstücks sein kann, wenn kein dinglich Berechtigter leistungsfähig ist. Die Vermieterin der Gewerbeflächen legte gegen die Gebührenbescheide jeweils Widerspruch ein, weil sie nicht Grundstückseigentümerin und deshalb nicht Gebührenschuldnerin sei. 

Die Stadt wies die Widersprüche zurück mit der Begründung, dass Gebührenschuldner auch der Besitzer des Grundstücks sei. In einer Vereinbarung habe der Gesamtvollstreckungsverwalter im Jahr 1997 der Eigentumsübertragung zugunsten der durch Auflassungsvormerkung gesicherten Klägerin zugestimmt. Nach Löschung der Gesamtvollstreckungsvermerke aus dem Grundbuch am 23. Mai 2000 habe die Vermieterin die Immobilie übernommen und sei für diese zuständig gewesen. Nach Ansicht des Gesamtvollstreckungsverwalters seien die Niederschlagswassergebühren allein von der Klägerin zu tragen.

Verwaltungsgericht: Vermieterin
nicht dinglich Berechtigte

Das Verwaltungsgericht Dresden gab der dagegen gerichteten Klage statt. Es begründete dies damit, dass Eigentümerin des Grundstücks die AG gewesen sei. Die Klägerin sei nicht dinglich Berechtigte gewesen.

Das OVG hat dagegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden geändert und die Klage abgewiesen. Nach der Abwassergebührensatzung sei der Besitzer nicht nur dann Gebührenschuldner, wenn kein dinglich zur baulichen Nutzung des Grundstücks Berechtigter leistungsfähig ist, sondern auch dann, wenn der Grundstückseigentümer leistungsunfähig ist.

OVG: Auslegung der Klägerin würde Anwendungsbereich einengen

Nach dem Sinn und Zweck der Norm solle der Besitzer für den Fall haften, dass vorrangig in Anspruch zu nehmende Personen nicht leistungsfähig sind. Ein Bedürfnis für eine solche Ausfallhaftung bestehe auch und erst recht, wenn der Eigentümer, der im Regelfall Gebührenschuldner ist, nicht leistungsfähig ist. Durch die von der Vermieterin befürwortete Auslegung der Abwassergebührensatzung würde der Anwendungsbereich der Norm ohne sachlichen Grund auf die seltenen Fälle der Erbbauberechtigten und sonst dinglich zur baulichen Nutzung des Grundstücks Berechtigten eingeengt und dem Bedürfnis nach einer möglichst weitgehenden Ausfallhaftung nicht hinreichend Rechnung getragen, heißt es in dem Urteil.

Eigentümer im zivilrechtlichen
Sinne gemeint

Eine Pflicht, obligatorisch Berechtigte in der Gebührensatzung zu Gebührenschuldnern zu erklären, besteht dem OVG zufolge nicht, ihre Heranziehung als Gebührenschuldner verstößt aber auch nicht gegen höherrangiges Recht. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Abwassergebührensatzung bestehe eine Gebührenschuldnerschaft des Besitzers bereits, wenn der dinglich Berechtigte nicht leistungsfähig ist. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht ist es dem OVG zufolge für eine Gebührenschuldnerschaft des Besitzers nicht zusätzlich erforderlich, dass der Eigentümer zuvor erfolglos in Anspruch genommen wurde. Zwar zeige ein erfolgloses In-Anspruch-Nehmen, dass der Eigentümer leistungsunfähig ist. Die Leistungsunfähigkeit des Eigentümers könne jedoch auch aus anderen Umständen abgeleitet werden. Insoweit gelte der Amtsermittlungsgrundsatz.

Dem Urteil zufolge ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Satzungsgeber, wenn er die Gebührenschuldnerstellung des Eigentümers regelt, mit dem Eigentümer den Eigentümer im zivilrechtlichen Sinn meint. Entsprechendes gelte, soweit der Satzungsgeber die Gebührenschuldnerstellung des Besitzers regelt. Die Klägerin war im Veranlagungszeitraum Vermieterin der Gewerbeeinheiten des auf dem Grundstück befindlichen Gewerbeparks und damit zivilrechtlich mittelbare Besitzerin, stellt das OVG fest. Sollte das Grundstück des Gewerbeparks nicht vollständig vermietet gewesen sein, sei sie insoweit zivilrechtlich unmittelbare Besitzerin gewesen.    

Das Urteil des OVG Sachsen finden Sie hier: link.euwid.de/n6gsu

- Anzeige -

- Anzeige -