Widerspruch gegen Abwasserabgabe kann wegen Frist-Überschreitung abgelehnt werden

Oberverwaltungsgericht NRW bestätigt Verwaltungsgerichts-Urteil

Der Widerspruch gegen eine Abwasserabgabe kann wegen der Überschreitung der Ausschlussfrist abgelehnt werden. Ausschlussfristen seien im Allgemeinen und auch im Abgabenrecht grundsätzlich zulässig – diese in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wiedergegebene Position hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss (Aktenzeichen 9 A 2190/20 vom 22.3.2023) bekräftigt und den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Abgabebefreiung scheide aus, weil der Befreiungsantrag der Klägerin erst nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlussfrist nach dem Abwasserabgabengesetz NRW alter Fassung gestellt worden sei, werde mit dem Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt, so das OVG. Das Verwaltungsgericht Köln hatte in seinem Urteil (Aktenzeichen 14 K 11557/17 vom 23.6.2020) festgestellt, dass Ausschlussfristen verfassungsrechtlich unbedenklich sind, wenn der durch sie begründete Ausschluss einer materiellen Rechtsposition auf einem sachlichen Grund beruht und verhältnismäßig ist.

Die Klägerin, die in ihrem Gemeindegebiet die öffentliche Abwasserentsorgung einschließlich des Kanalisationsnetzes betreibt, wandte sich mit ihrer Klage gegen die Erhebung der Abwasserabgabe für das Einleiten von Niederschlagswasser in den Rhein. Im Januar 2017 versandte das Land an die Klägerin einen Vordruck für die sogenannte Abgabeerklärung, auf dem die für die Ermittlung bzw. für die Schätzung der Abwasserabgabe notwendigen Daten angegeben werden sollen. Im Mai 2017 übersandte die Klägerin den ausgefüllten Vordruck an den Beklagten und kreuzte dabei an, einen Antrag auf Abgabefreiheit zu stellen.

Das Land teilte der Klägerin daraufhin am 9. Mai 2017 mit, dass der Antrag auf Abgabefreiheit spätestens drei Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums hätte gestellt werden müssen und er deshalb für das Veranlagungsjahr 2016 nicht berücksichtigt werden könne. Mit Bescheid vom 25. Juli 2017 setzte das Land die Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 2016 für das Kanalisationsnetz auf 64.099,89 Euro fest.

Klagende Abwasserentsorgerin
verweist auf Vertrauensschutz

Die Klägerin brachte vor, eine Überschreitung der Abgabefrist habe in früheren Jahren keine nachteiligen Folgen gehabt und es bestehe deshalb Vertrauensschutz. Der Land lehnte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die gesetzliche Ausschlussfrist für die Abgabeerklärung sei zum Veranlagungsjahr 2016 erstmals eingeführt worden und die Klägerin hätte sich von dieser Kenntnis verschaffen müssen. Der Vordruck enthalte zudem einen Hinweis auf die einzuhaltende Frist.

Die Abwasserentsorgerin erhob im August 2017 Klage. Sie machte geltend, die vom Landesgesetzgeber geschaffene Ausschlussfrist sei willkürlich und nicht schlüssig. Nach den gesetzlichen Vorgaben reiche es nach einer fristgerechten Antragstellung aus, Nachweise zur Begründung des Antrags spätestens sechs Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beizubringen. Es liege kein sachlicher Grund vor, verfristete, aber vollständig eingelegte Anträge ungleich gegenüber fristgerecht, aber unvollständig eingelegten Anträgen zu behandeln, so die Klägerin.

OVG: Ausschlussfristen grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. In der Rechtsprechung sei geklärt, dass materiell-rechtliche Ausschlussfristen, deren Nichteinhaltung zum Verlust einer materiell-rechtlichen Rechtsposition führt, grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sind, heißt es in dem Beschluss. Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte derartige Ausschlussfristen einzuführen, auch wenn dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Eine Ausschlussfrist erfülle die Vorgaben des Verfassungsrechts, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt sowie verhältnismäßig ist.

Diese Voraussetzungen liegen, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Satz 4 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) NRW a. F., bei dem es sich entgegen der Ansicht des Beklagten schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut um eine Ausschlussfrist handle, vor. Die der Vorschrift zugrunde liegende Intention des Gesetzgebers, durch Einführung einer Ausschlussfrist für den Befreiungsantrag eine zeitnahe Abgabenerhebung sicherzustellen, stelle einen sachlichen Grund dar, heißt es in dem Beschluss.

Ausschlussfrist geeignet und
erforderlich, um Zweck zu erreichen

Die dreimonatige Ausschlussfrist sei geeignet und erforderlich, um den vorbezeichneten Zweck zu erreichen. Dem Einwand der Klägerin, die dreimonatige Ausschlussfrist für den Befreiungsantrag mache angesichts der sechsmonatigen Frist für die Einreichung von Nachweisunterlagen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 5 AbwAG NRW a. F. im Hinblick auf die bezweckte Sicherstellung einer zeitnahen Abgabenerhebung „keinen Sinn“, was auch der Gesetzgeber erkannt und inzwischen die Frist für die Antragstellung auf sechs Monate verlängert habe, sei entgegenzuhalten, dass dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit des von ihm gewählten Mittels eine Einschätzungsprärogative zukomme. Diese ist dem OVG zufolge nur überschritten, wenn seine Erwägungen nicht schlüssig sind und deswegen offensichtlich keine Grundlage für eine angegriffene Maßnahme sein können.

In einem Fall mit gleicher Konstellation hat das Oberverwaltungsgericht NRW eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden (Aktenzeichen 9 K 6152/17 vom 19.7.2019) mit einem Beschluss bestätigt (Aktenzeichen 9 A 3245/19 vom 22.03.2023).

Den Beschluss des OVG NRW finden Sie hier: link.euwid.de/41gla

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