Studie: Reduktion von Nährstoffeinträgen in Seen noch stärker in den Blick nehmen

Theorie zur Ökologie von Flachwasserseen infrage gestellt

Eine Studie des UFZ und der Universität Aarhus empfiehlt, die Reduktion von Nährstoffeinträgen künftig noch stärker in den Blick zu nehmen, um das ökologische Gleichgewicht flacher Seen zu sichern. Die im Fachjournal Nature Communications erschienene Studie stellt die Theorie infrage, dass flache Seen zwei alternative stabile Zustände annehmen können.  Im Rahmen einer Datenanalyse von 902 Flachwasserseen konnte das Forschungsteam keine Hinweise auf die Existenz zweier alternativer stabiler Zustände finden, teilte das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) mit. Auf dieser Theorie basierende Maßnahmen zum Seenmanagement sehen die Autoren und Autorinnen kritisch.

Weltweit gehören etwa 42 Prozent der Seen zu den sogenannten Flachwasserseen mit einer mittleren Tiefe von bis zu drei Metern, erläutern die Forschenden. Flachwasserseen komme eine große Bedeutung zu: Sie dienen der Trinkwasserbereitstellung, der Fischerei und werden für Freizeitaktivitäten genutzt.

Große Bedeutung für
Trinkwasserversorgung

Dafür sei ein guter ökologischer Zustand ganz entscheidend, sagte Daniel Graeber vom UFZ-Department Aquatische Ökosystemanalyse und Management, der Letztautor der Studie ist. Da Flachwasserseen in der Regel über Oberflächengewässer gespeist würden, seien sie häufig einem vermehrten Eintrag von Nährstoffen ausgesetzt. Dadurch könne ihr ökologisches Gleichgewicht leicht ins Wanken geraten.

Theorie zweier alternativer
stabiler Zustände in Frage gestellt

Nach einer in den 1990er Jahren entwickelten und in der Limnologie verbreiteten Theorie sollen Flachwasserseen bei gleicher Nährstoffverfügbarkeit aus sich heraus zwischen zwei alternativen stabilen Zuständen wechseln können: Der eine Zustand soll dabei durch trübes Wasser und Algenreichtum, der andere durch klares Wasser und zahlreiche Wasserpflanzen gekennzeichnet sein, erläutern die Forschenden. „Die Theorie besagt außerdem, dass diese beiden Zustände nach einem Wechsel jeweils langfristig stabil seien", erklärte Thomas A. Davidson, Limnologe an der Universität Aarhus und Erstautor der Studie. Auf diesem Erklärungsmodell basierende biomanipulative Maßnahmen seien bereits einige hundert Male in Europa und den USA angewandt worden, um den ökologischen Zustand von Seen zu verbessern.

Ziel solcher Eingriffe, sei es, den Folgen eines hohen Nährstoffeintrags - verstärktem Algenwachstum, Sauerstoffmangel, toxische Blaualgenblüten und Fischsterben - entgegenwirken. So solle etwa der Besatz mit Raubfischen die vermehrte Algenproduktion über ökologische Rückkoppelungseffekte regulieren: Raubfische fressen Friedfische, weniger Friedfische fressen weniger Kleinkrebse, mehr Kleinkrebse fressen mehr Algen. Auf diese Weise soll der trübe, durch hohes Algenwachstum geprägte Flachwassersee langfristig in seinen zweiten sich selbst erhaltenden Zustand mit klarem Wasser mit Wasserpflanzen und Laichgründen für Fische überführt werden, und das langfristig, trotz hoher Nährstoffverfügbarkeit.

 Um diesem in der Limnologie breit anerkannten Erklärungsmodell der alternativen stabilen Zustände von Flachwasserseen einem Realitätscheck unterziehen, hat das Forschungsteam den Angaben zufolge Langzeitmonitoring-Daten von 902 Flachwasserseen in Dänemark und den USA von unter drei Meter Tiefe analysiert. Untersucht wurde das Verhältnis zwischen Nährstoffkonzentration und Chlorophyll-a-Konzentration als Maß für das Algenvorkommen der Seen und seine Veränderung über die Zeit. Dafür entwickelten die Forschenden nach eigenen Angaben ein spezielles statistisches Verfahren, um zu prüfen, ob in den Seen alternative Zustände vorkamen und ob diese auch über mehrere Jahre stabil und selbsterhaltend waren, wie es die Theorie voraussagt.

Mehr Nährstoffe führen
zwangsläufig zu mehr Algen

Bei der Datenanalyse der 902 Seen habe das Forschungsteam bei den untersuchten Seen keinerlei Hinweise auf das Vorkommen zweier alternativer stabiler Zustände gefunden. Eindeutig festgestellt worden sei eine lineare Beziehung zwischen Nährstoffkonzentration und Algenkonzentration. Mehr Nährstoffe führten also zwangsläufig zu mehr Algen, und keiner der Seen habe eine andere Antwort auf hohe Nährstoffkonzentrationen gezeigt. Das Erklärungsmodell der zwei alternativen stabilen Zustände scheine also – zumindest für Seen der gemäßigten Breiten - in der Realität nicht vorzukommen.

Für die Praxis bedeute dieses Ergebnis, dass biomanipulative Maßnahmen wie der Besatz mit Raubfischen das Ökosystem Flachwassersee langfristig nicht stabilisieren könnten, da es keinen alternativen stabilen Zustand gebe. „Die einzige Möglichkeit, das Gleichgewicht flacher Seen in einem dauerhaft stabilen Zustand zu halten, ist alternativlos: Nährstoffeinträge müssen konsequent reduziert werden", erklärte Graeber. o

Die Publikation „Bimodality and alternative equilibria do not help explain long-term patterns in shallow lake chlorophyll-a“ finden Sie hier: www.nature.com/articles/s41467-023-36043-9

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