Wissenschaftsakademien fordern Verabschiedung des Renaturierungsgesetzes der EU

„Gesetz ist keine Bedrohung für die Ernährungssicherheit“

Der Wissenschaftliche Beirat der Europäischen Akademien (EASAC) hat die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, die Verabschiedung des Naturwiederherstellungsgesetzes der Europäischen Union nicht auf die lange Bank zu schieben oder gar ganz darauf zu verzichten. „Die Verabschiedung des EU-Renaturierungsgesetzes ist wichtig, um den ernsten Herausforderungen für die biologische Vielfalt und das Klima in Europa zu begegnen. Es ist auch von entscheidender Bedeutung für das Wohlergehen und den Lebensunterhalt von Landwirten und anderen Landbewirtschaftern, da funktionierende Ökosysteme die Grundlage für Land- und Forstwirtschaft sind“, sagte Professor Thomas Elmqvist, EASAC Co-Direktor für Umwelt.

Die Entscheidung über das Naturwiederherstellungsgesetz ist von der belgischen EU-Ratspräsidentschaft auf unbestimmte Zeit verschoben worden, nachdem das Europaparlament bereits im Februar grünes Licht für das Vorhaben gegeben hatte. Bis 2030 müssten die EU-Länder unter anderem mindestens 25.000 Flusskilometer in den natürlichen, frei fließenden Zustand versetzen.

Hohe Erträge und Verringerung der Umweltbelastung gleichzeitig möglich

Die Wissenschaftler bezweifeln die von den Gegnern des Gesetzes vorgebrachten Argumente, heißt es in der Mitteilung der EASAC. Es sei durchaus möglich, gleichzeitig hohe Erträge zu sichern, die Umweltbelastung zu verringern und die biologische Vielfalt zu verbessern, wie die EASAC-Wissenschaftler in zwei aktuellen Berichten über regenerative Landwirtschaft und integrierten Pflanzenschutz aufzeigten. Die Behauptung, die Maßnahmen der Farm-to-Fork-Strategie gefährdeten die Ernährungssicherheit, sei falsch. „Die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen könnte jedoch die Geschäftsinteressen einiger großer Akteure in der Agrarindustrie beeinträchtigen – wie den Verkauf von Pestiziden und Düngemitteln. Diese haben ununterbrochen Kampagnen gegen das Gesetz geführt“, sagte Professor Michael Norton, EASAC Co-Direktor für Umwelt.

Gelegenheit, Landwirte für Ökosystemleistungen zu belohnen

In seinen Berichten unterstützt EASAC nach eigenen Angaben das Konzept, landwirtschaftliche Subventionen auf die Unterstützung von Landwirten bei der Umstellung auf nachhaltige Praktiken auszurichten, die dazu beitragen, die Klima- und Biodiversitätskrise zu bewältigen. „Das neue Gesetz wäre eine einzigartige Gelegenheit, Anstrengungen und Ressourcen für die Wiederherstellung von Ökosystemen und die beteiligten Menschen zu mobilisieren“. Landwirte sollten für Maßnahmen belohnt werden, die zur Gesundheit sowohl der Ökosysteme als auch der Menschen beitragen, erklärte Elmqvist.

EASAC fordert die Mitgliedstaaten, die planen gegen das Gesetz zu stimmen oder sich zu enthalten, auf, ihre Position auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überdenken und für das Gesetz einzusetzen. „Sie sollten vorangehen und einen Weg finden, der alle Interessengruppen mit ins Boot holt und dafür sorgt, dass sie sich aktiv in der Umsetzung engagieren. Renaturierungsmaßnahmen müssen dabei aus einer ganzheitlichen Perspektive angegangen werden, welche Lebensmittelsicherheit und Ernährungssicherheit einschließt“, so Norton.

Erstmals klare Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme in allen Mitgliedsstaaten

Die Wissenschaftler verweisen darauf, dass sich über 80 Prozent der europäischen Lebensräume in einem schlechten Zustand befinden. Das EU-Renaturierungsgesetz sei eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung internationaler Klima- und Biodiversitätsvereinbarungen, z. B. des Kunming-Montreal-Rahmens für biologische Vielfalt. Es lege erstmals klare Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme in allen Mitgliedstaaten fest, trage damit zur Erreichung der Klima- und Biodiversitätsziele der EU bei und verbessere gleichzeitig die Ernährungssicherheit. Nachdem im November eine Einigung erzielt worden war und das Europäische Parlament anschließend grünes Licht gegeben hatte, sei die Abstimmung von der Tagesordnung des Rates genommen worden, da abzusehen gewesen sei, dass die notwendige Stimmenmehrheit nicht erreicht werden würde.

Die Nationalen Wissenschafts-Akademien der Länder der Europäischen Union haben sich 2001 im European Academies‘ Science Advisory Council (EASAC) zusammengeschlossen. Als Beratungskomitee der europäischen Wissenschaftsakademien erarbeitet EASAC nach eigenen Angaben Stellungnahmen, Berichte und populärwissenschaftliche Schriften zu aktuellen gesellschaftsrelevanten Themen in den Bereichen Energie, Umwelt und Biowissenschaften und richtet diese an die Institutionen der EU.

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