figawa: Mögliches PFAS-Verbot gefährdet Wasserversorgung

„Fluorpolymere verhindern die Migration schädlicher Stoffe ins Trinkwasser“

Eine differenzierte Betrachtung von PFAS-Verbindungen im geplanten EU-weiten Verbot fordert figawa, der Verband für Hersteller und Dienstleistungsanbieter in den Bereichen Wasser, Gas und Liquid Fuels. Ein uneingeschränktes Verbot von PFAS würde verheerende Auswirkungen auf die öffentliche, private und industrielle Wasserversorgung haben, einschließlich der Aufbereitung von Trink- und Brauchwasser, Abwasser und Schwimmbeckenwasser, sowie auf die Mess- und Sensortechnologie für Wasser in ganz Europa, teilte figawa mit. Der Verband fordert, Fluorpolymere für bestimmte Anwendungen aus dem gegenwärtigen Beschränkungsverfahren unter REACH herauszunehmen oder eine befristete Ausnahmeregelung mit ausreichender Laufzeit für eine technologische Anpassung zu schaffen.

Laut figawa sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS), die mit insgesamt mehr als 10.000 Substanzen in nahezu allen Industriezweigen Anwendung zu finden sind, aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften oft schwer oder gar nicht zu ersetzen. Da PFAS jedoch aufgrund ihrer Langlebigkeit in der Umwelt verbleiben und damit das Risiko gesundheitsschädlicher Wirkung auf den Menschen erhöht wird, haben vier EU-Mitgliedsstaaten einen Vorschlag für Beschränkungen vorgelegt, um ein europaweites Verbot von PFAS zu erreichen. Der Verband unterstütze die europäische Initiative zur Beschränkung von PFAS Materialien, schreibt der Verband. „Allerdings fordern wir eine differenzierte Regulierung, die unkritische Fluorpolymer-Anwendungen ausnimmt", erklärte Volker Meyer, Hauptgeschäftsführer der figawa. Im derzeitigen Verfahren fehlt nach Auffassung des Verbandes eine Differenzierung zwischen problematischen Verbindungen und den unkritischen Fluorpolymeren, die für Bereiche, die teilweise Teil der kritischen Infrastruktur sind, unerlässlich seien.

Bauteile müssen lange Zeit ohne
Wartung störungsfrei funktionieren

Öffentliche sowie private und industrielle Wasserversorgungssysteme seien in der Regel für eine lange Lebensdauer über mindestens mehrere Jahrzehnte ausgelegt und der Zugang für Wartung und Reparatur sei begrenzt, etwa bei unterirdischen öffentlichen Wasserversorgungssystemen und Wandinstallationen, gibt figawa zu bedenken. Daher müssten insbesondere Bauteile, die hohen mechanischen Anforderungen wie Gleiten oder Dichten genügen müssen, über lange Zeit ohne Wartung störungsfrei funktionieren. Die inhärente Stabilität von Fluorpolymeren verhindere außerdem sicher, dass schädliche Stoffe in das Trinkwasser migrieren können.

Wellendichtungen und
O-Ringe als Beispiele

Als Beispiele für den Einsatz von Fluorpolymeren nennt der Verband Wellendichtungen und O-Ringe, wie sie in Armaturen, Pumpen, Rohrleitungen und Wasserhähnen eingesetzt werden, um das Austreten von Wasser zu verhindern. Die üblicherweise verwendeten Werkstoffe für diese Bauteile sind den Angaben zufolge Fluorpolymere wie beispielsweise FKM, PTFE und PFA. Langfristig könnte die Verwendung von Ersatzprodukten nur in bestimmten Bereichen möglich sein, würde aber größere Konstruktionsänderungen erfordern, schreibt der Verband. Die Versorgung mit Ersatz- und Wartungsteilen für bestehende, in Betrieb  befindliche Netze sei möglicherweise gar nicht umzusetzen, so dass ein teurer Austausch weit vor dem Ende der Lebensdauer notwendig wäre.

Die große Anzahl der betroffenen Netze mit dieser Technologie würde laut figawa außerdem immense Investitionen erfordern. Insgesamt könnte dies die öffentliche und industrielle Wasserversorgung gefährden, und der Nutzen für die Umwelt sei marginal, da für Materialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen, bereits hohe Standards gelten. Die bekannten Technologien hätten sich als energieeffizient und betriebssicher erwiesen, seien jedoch direkt auf die Verwendung von Fluorpolymeren angewiesen, die von professionellem Personal verwendet, demontiert und entsorgt würden.

Wasseraufbereitung auf Verwendung von Fluorpolymeren angewiesen

Des Weiteren weist figawa darauf hin, dass in der Wasseraufbereitung beim Einsatz von hochreaktiven Desinfektions- und Oxidationsmitteln wie Chlor, Chlordioxid oder Ozon Fluorpolymere in Dichtungen, Schlauchleitungen, Auskleidungen oder als Werkstoff für weitere Komponenten mit hohen Anforderungen an die chemische Beständigkeit eingesetzt werden. Andere Werkstoffe würden durch die chemische Korrosion schnell angegriffen, und ein sicherer Betrieb von Desinfektions- und Oxidationsanlagen wäre derzeit ohne die Fluorpolymere kaum möglich.

Aber auch bei physikalischen Verfahren wie der UV-Desinfektion oder Membranfiltration würden diese Hochleistungskunststoffe eingesetzt, da sie beständig gegen hochdosierte UV-Strahlung und im Falle der Membranen beispielsweise gegenüber aggressiven Abwässern seien. Der geschätzte Jahresbedarf des gesamten Wasserdesinfektions- und Oxidationsbehandlungssektors inklusive Ersatzteile belaufe sich auf weniger als fünf Tonnen pro Jahr, während im Jahr 2015 insgesamt circa 52.000 Tonnen PFAS in der EU verbraucht worden seien.

Bedeutung für Wassermessung und -sensoring
Auch Mess- und Regelsysteme sind figawa zufolge auf Fluorpolymere angewiesen. Die europaweit verwendeten Mengen für Komponenten wie ionenspezifische Membranen oder Membranen in Sensoren machten zwar nur einige Dutzend Kilogramm pro Jahr aus, seien aber für die Spezifität dieser Technologie unerlässlich. Die Überwachung von öffentlichen, privaten und industrielle Wasserversorgungssysteme durch Sensoren sei für eine effiziente, sichere und zuverlässige Prozesse unerlässlich.

Im Bereich der Sensoren würden sehr kleine Membranen verbaut, die für die Spezifität dieser Technologie unerlässlich sind. Insgesamt werden zwar nur einige Dutzend Kilogramm für die Mess-, Regel- und Sensoringtechnologien in Europa pro Jahr verbraucht. Die Überwachung von Desinfektion und Oxidation sowie der Verteilung sei unbedingt notwendig.

Vollständiger Austausch von
makellosen Anlagen könnte nötig sein

Die Lieferung von Ersatz- und Wartungsteilen für bestehende, in Betrieb befindliche Anlagen der öffentlichen, privaten und industriellen Verteilung von Trink- und Brauchwasser, der Wasseraufbereitung sowie der Wassermessungs- und Sensoringtechnologien ist laut figawa nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich nicht möglich und könne deshalb einen vollständigen Austausch von eigentlich makellosen Anlagen nötig machen. Die große Zahl der betroffenen Anlagen würde immense Kosten bei Industrie und öffentlicher Hand verursachen. Gefährden würde dies die die öffentliche, private und industrielle Wasserverteilung, die öffentliche Wasserversorgung, die Kläranlagen, die Wasseraufbereitung im industriellen Bereich sowie den Betrieb von Schwimmbädern.

Während des laufenden Konsultationsverfahrens der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur Beschränkung von PFAS werde die figawa eine detaillierte Stellungnahme einreichen, um Ausnahmen oder angemessene Übergangsfristen für Anwendungen in der Wasser- und Energieinfrastruktur zu erwirken, kündigte der Verband an.             

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