VGH: Für Fortgeltung alten Wasserrechts muss Anlage zum Stichtag vorhanden gewesen sein

Urteil: Erbleihbrief ist kein allumfassendes Wasserbenutzungsrecht

Voraussetzung für die Fortgeltung alter Wasserrechte ist, dass die zur Ausübung der Benutzung des alten Rechts notwendigen Anlagen zum Stichtag vorhanden waren. Fehlen zum Stichtag des Inkrafttretens des Hessischen Wassergesetzes im Jahr 1960 zentrale Anlagenteile wie das Wasserrad bei einer Mühle, steht dies dem Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen entgegen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Hessen in einem Beschluss festgestellt (Aktenzeichen 4 A 17/21.Z vom 10.01.2024). Alte Wasserregalien wurden für einen bestimmten Zweck, etwa den Betrieb einer Mühle oder eine Fischerei, verliehen und umfassten nur das Recht, das öffentliche Gewässer zu dem Zweck und in dem Umfang zu benutzen, zu dem das Recht verliehen war, erläutert der VGH in dem Beschluss.

Die Kläger begehren die Eintragung  eines alten Wasserrechts aufgrund eines Erbleihbriefes von 1692. Sie sind Eigentümer einer Mühle in der Gemarkung, die an den – früher Daisbach genannten – Schwarzbach angrenzt, so der VGH zum Sachverhalt. Im Jahre 1692 hatte der Erzbischof von Mainz in einem Erbleihbrief dem ursprünglichen Eigentümer der Mühle altes Wasserrecht verliehen. Im Jahr 1911 erwarb der Betreiber einer Cellulosefabrik das Grundstück der Mühle. Ihm wurde mit Verleihungsurkunde des Bezirksausschusses in Wiesbaden 1918 ein Recht zur Gewinnung von Grundwasser zu Betriebszwecken mittels unterirdischer Sickeranlagen auf den der Gemeinde gehörenden, östlich der Mühle gelegenen Mainwiesen gewährt.

1926 wurden in das Wasserbuch für den Daisbach aufgrund des Erbleihbriefes von 1692 für die jeweiligen Eigentümer der Mühle die Rechte eingetragen, das Wasser des Baches bis zur Höhe des bestehenden Wehrs anzustauen, durch den vorhandenen Betriebsgraben abzuleiten, zum Betrieb der Mühle zu gebrauchen und durch den Untergraben in den Main einzuleiten, mit der Maßgabe, dass das im selben Band 1921 eingetragene Recht der Landgemeinde auf Wiesenbewässerung bestehen bleibt.

Bei Inkrafttreten des Hessischen Wassergesetzes am 1. August 1960 waren nach den Angaben der Kläger das Stauwehr, der Mühlgraben, der das Wasser vom Wehr zum Mühlen-Grundstück leitete, ein Wassersilo, eine unterirdische Sickeranlage und ein oberirdisches Grabensystem auf dem Grundstück der Mühle vorhanden.

Eigentümer beantragten Bestätigung eines alten Wasserrechts

Im Jahr 1971 erwarben die Rechtsvorgänger der Kläger das Gelände und beantragten im Jahr 1973 die Bestätigung eines alten Wasserrechts zur Anstauung des Wassers des Daisbaches, zur Ableitung durch einen Betriebsgraben zum Betrieb der Mühle und zur Wiedereinleitung des Wassers durch den Untergraben in den Main sowie die Eintragung dieses Rechts in das Wasserbuch. Mit Bescheid vom 26. März 1974 lehnte der Regierungspräsident in Darmstadt den Antrag mit der Begründung ab, das Wasserrad der Mühle mit Zubehör sei 1952 entfernt worden, so dass bei Inkrafttretens des Hessischen Wassergesetzes (HWG) am 1. August 1960 keine rechtmäßige und vollständige Anlage mehr vorhanden gewesen sei, die ermögliche, das Recht noch auszuüben.

Die dagegen beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erhobene Klage (Aktenzeichen III/3 E 2/75) wurde 1976 ruhend gestellt und erst im Januar 2017 wieder aufgerufen. Die Kläger hatten am 23. Februar 2013 unter Berufung auf den Erbleihbrief einen teilweise identischen Antrag auf Feststellung des Bestehens des alten Wasserrechts gestellt, nun ergänzend auch gerichtet auf das Recht zur Bewässerung von Grundstücken östlich und westlich der Mühle und zum Betrieb einer Sickeranlage zur Gewinnung von Grundwasser. Zweck des Antrags war die Bewässerung eines Biotops. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab (Aktenzeichen 2 K 329/17.F vom 10.09.2020).

VGH: Erteiltes Recht hat sich nicht zu einem allgemeinen Wasserrecht entwickelt

Der VGH Hessen hat den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht habe den Erbleihbrief dahingehend ausgelegt, dass das darin erteilte Recht kein umfassendes Wasserrecht, sondern auf die Errichtung und den Betrieb der Mühle gerichtet gewesen sei. Dieses Recht habe sich nach Einstellung des Mühlenbetriebs auch dadurch nicht zu einem allgemeinen Wasserrecht entwickelt.

Die Auslegung des Erbleihbriefes durch das Verwaltungsgericht stehe im Einklang zu dem herrschenden Verständnis von Wasserregalien, zu denen auch das Mühlenrecht bzw. Mühlenregal zählte. Die Verleihung eines Wasserregals habe dem Beliehenen immer nur das Recht gegeben, das öffentliche Gewässer zu dem Zweck und in dem Umfang zu benutzen, zu denen und in dem ihm das Recht verleihen war. Der Müller durfte daher z. B. nicht Bewässerungswasser aus dem Stauwasser entnehmen, heißt es in dem Urteil.

Faktische Nutzung des Wassers zu anderen Zwecken kann das auf dem Titel beruhende Recht nicht abändern

Auch dieser entstehungsgeschichtliche Hintergrund spreche gegen eine Auslegung des Erbleihbriefes im Sinne eines allumfassenden Wasserbenutzungsrecht, das auch die von den Klägern begehrte Benutzung zur Bewässerung und zur Grundwassergewinnung umfasst. Das Recht auf Grundwassergewinnung durch Sickeranlagen sei dementsprechend auch später durch die separate Verleihurkunde von 1918, die nicht Gegenstand des Verfahrens ist, verliehen worden. Auch könne allein die faktische Nutzung des Wassers zu anderen Zwecken, wie z. B. der Bewässerung, das auf dem Titel beruhende Recht nicht abändern.

„Anlage“ meint die Betriebsanlage in ihrer Gesamtheit

Die Anlagen mussten dem VGH zufolge in dem Umfang bestehen, wie es zur Ausübung des alten Rechts erforderlich war. Mit „Anlage“ sei ist die Betriebsanlage in ihrer Gesamtheit gemeint; das Vorhandensein von Teilen der alten Anlage, mit deren Hilfe die Ausübung des alten Rechts nicht möglich ist, genüge daher für den Fortbestand des Rechts nicht. Fehlen zum Stichtag zentrale Anlagenteile, die für die Ausübung des alten Rechts erforderlich sind, wie das Wasserrad, stehe dies dem Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen entgegen, heißt es in dem Urteil.

Ob die Anlage vollständig war, bestimme sich nach dem alten Recht, hier also nach dem streitgegenständlichen Recht aus dem Erbleihbrief. Die Nutzung des Wassers war nach dem Erbleihbrief auf den Mühlenbetrieb ausgerichtet und umfasste kein Recht auf Bewässerung von Grundstücken oder zur Errichtung von Sickeranlagen, stellt der VGH fest.

Das Mühlengebäude samt dem Mühlrad, die eine zweckentsprechende Nutzung des Wassers hätten ermöglichen können, waren jedoch spätestens seit 1922 nicht mehr vorhanden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass zum Stichtag auch ein Grabensystem zur Bewässerung vorhanden gewesen ist, so handele es sich bei der Nutzung zur Bewässerung um einen anderen Benutzungszweck, der nicht mehr von dem hier allein streitgegenständlichen Recht aus dem Erbleihbrief umfasst war.

Den Streitwert hat der VGH auf 5.000 Euro festgesetzt.   

Den Beschluss des VGH Hessen finden Sie hier: link.euwid.de/j8jpi

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