Vertikale Feuchtgebiete sollen Alternative zu fehlenden Flachwasserzonen bieten

Minimalhabitate an naturfernen und künstlichen Wasserwegen

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Wo Spund- und Steinwände das Ufer vom Fluss trennen, sollen ökologische Trittsteine helfen, dass sich Tiere und Pflanzen ansiedeln können: Dafür hat das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zusammen mit dem Ingenieurbüro WITE als Lösung vertikale Feuchtgebiete entwickelt. Das teilte das IGB Ende April mit. Ein Test in einem Berliner Pilotprojekt sei erfolgreich verlaufen; die so genannten „Vertical Wetlands“ seien von Tieren und Pflanzen sehr gut angenommen worden. Bereits wenige Tage nach dem Aufbau sei Fischlaich an den Modulen festgestellt worden, und nach einigen Wochen unternahmen Blässhühner erste Nestbauversuche.

Entlang urban geprägter Flüsse und Kanäle gibt es kaum naturnahe Ufer und Flachwasserzonen, stattdessen trennen steile Uferbefestigungen aus Beton, Stahl oder Mauersteinen über viele Kilometer das Wasser vom ehemals natürlichen Ufer, erläutert das IGB. Durch diese harte Abgrenzung fehlen Ufer- und Flachwasserzonen als wichtige Lebensräume für viele Pflanzen und Tiere. Die Pflanzmodule bieten laut IGB eine übertragbare und skalierbare Möglichkeit, um an naturfernen und künstlichen Wasserwegen Minimalhabitate zu schaffen, die verschiedenen Arten ökologische Trittsteine bieten und so den Aufenthalt und die Durchwanderung ermöglichen. Mit der Pilotanlage in der Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal konnte das Prinzip erfolgreich getestet werden.

„Gewässerabschnitte schnell und
kostengünstig ökologisch aufwertet“

„Die Stärke der Vertical Wetlands liegt darin, dort anzusetzen, wo eine Renaturierung aufgrund intensiver Nutzung oder dichter Bebauung nicht möglich ist. Hierfür werden grüne Schlüsselbausteine angeboten, die schon auf relativ kleinen Flächen helfen, die großen ökologischen Defizite zu reduzieren“, erläuterte IGB-Forscher und Projektleiter Christian Wolter die Grundidee. So könnten Gewässerabschnitte schnell und kostengünstig ökologisch aufgewertet werden. Vertical Wetlands leisteten auch einen Beitrag zur Wasserqualität. Das Beschatten der Uferwände reduziere den Wärmeeintrag in die Gewässer durch die von der Sonne aufgeheizten Uferwände.

Unbedenkliche Baumaterialien
in einem flexiblen System

Das System besteht dem IGB zufolge aus zwei Hauptkomponenten: der an der Uferwand befestigten Tragschiene und den daran eingehängten Pflanzmodulen. Es kann an Spundwänden, Naturstein- oder Betonmauern befestigt werden und besteht nur aus Materialien, die für Gewässer unbedenklich und biologisch abbaubar sind: unbehandelter Stahl, sägeraues Holz, dem Gewässertyp entsprechendes Substrat, wie z. B. Sand oder Kies, darüber ein biologisch abbaubares Vlies und gewässertypische Gehölze und Pflanzen, wie z. B. Weiden, Erlen, Schilf, Binsen und Rohrkolben. Zusätzlich kann ökologisch wichtiges Totholz zwischen, unter oder auf den Modulen befestigt werden.

Pilotanlage im
Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal

Die mit Schilf und vier verschiedenen Weidenarten bepflanzte Pilotanlage zufolge wurde den Angaben im Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal, in der Nähe des Golda-Meir-Stegs, auf einer Länge von 40 Metern errichtet. Die Anlage besteht aus 76 Modulen und wurde im April 2023 innerhalb von 14 Tagen wasserseitig von einer schwimmenden Arbeitsplattform aus montiert. Das IGB führte während des Projekts regelmäßige Beobachtungen durch, um die ökologische Wirkung der Anlage zu bewerten: „Die Beobachtungen haben gezeigt, dass die ökologischen Trittsteine gut angenommen wurden. Bereits wenige Tage nach der Montage wurde Fischlaich an den Modulen festgestellt, nach wenigen Wochen unternahmen Blässhühner erste Nestbauversuche“. Schon nach einem Monat hätten sich Wurzelbärte entwickelt, die besonders wertvoll als Rückzugsort für Fische seien. Zudem wurden die Module auch von weiteren Wasserpflanzen, Moosen und Algen besiedelt.

Das Projekt wurde den Angaben zufolge in enger Zusammenarbeit mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Spree-Havel, der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt und dem Bezirk Mitte umgesetzt. Gefördert wurde das Vorhaben im Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (BENE) aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Berlin.

Das IGB stellt für Behörden und Interessierte die Konstruktonsweise und die Genehmigungsvoraussetzungen in einem „IGB Manual“ kostenfrei zur Verfügung.

Die Publikation "Vertical Wetlands - Trittsteinhabitate für urbane Gewässer", IGB Manual, finden Sie hier: link.euwid.de/77kbd

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