Illegaler Wasserhandel in Jordanien sorgt für zunehmende Abhängigkeiten

UFZ-Forscher quantifizieren Schwarzmarkt für Trinkwasser

Ein Forscherteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat ein Modell zur Quantifizierung des Schwarzmarkts für Trinkwasser in Jordanien entwickelt. In einem Beitrag für „Nature Sustainability“ decken die Forscher die zunehmende Abhängigkeit der Bevölkerung vom illegalen Wasserhandel auf, teilte das UFZ mit. Sie identifizieren Lösungen, mit denen der Staat die Wasserversorgung angesichts des Klimawandels stabilisieren könnte.

In Jordanien griffen Haushalte und Unternehmen zumeist auf private Anbieter zurück, wenn die öffentliche Wasserversorgung nicht ausreicht, so das UFZ. Lastwagen bringen Trinkwasser, das oft aus Grundwasserbrunnen gezapft wird, vom Land in die Städte und verkaufen es dort zum Teil mit staatlicher Lizenz, zu einem Großteil aber illegal. „In Jordanien gleicht dieser Markt für Wasserlieferungen per Tankwagen das Defizit des öffentlichen Wasserleitungsnetzes aus“, sagte UFZ-Ökonom Christian Klassert, Erstautor der Studie. Doch welche Rolle die Wasserlieferungen auf dem jordanischen Wassermarkt konkret spielten, sei bislang unklar gewesen.

„Die offiziellen Daten zu den Brunnenentnahmen für die Lkw-Wasserlieferungen spiegeln die Realität nicht wider. Sie liegen deutlich drunter, weil der Schwarzmarkt für Tankwasser bisher nicht quantifiziert werden konnte“, machte Klassert deutlich. Deswegen brauche es den Einblick in die Blackbox solcher Schwarzmärkte: Deren Beitrag zur Wassersicherheit, die Auswirkungen auf die Gesellschaft, auf die Umwelt und insbesondere auf die Grundwasservorräte sowie mögliche Folgen einer strengeren staatlichen Regulierung der Märkte seien Fragen, für die es vor dem Hintergrund des Klimawandels dringend Antworten brauche.

Die UFZ-Wissenschaftler entwickelten mit Hydrologen der Stanford University ein sozio-ökonomisches Computermodell des jordanischen Wassersektors, das den menschengemachten mit dem natürlichen Wasserkreislauf verknüpft, berichtete das UFZ weiter. Sie erweiterten das Modell durch eine Simulation des Schwarzmarktes für Wasser. Um die Menge des dort gehandelten Wassers und die Auswirkungen auf Grundwasserstände, den Energieverbrauch oder den Ausstoß von Treibhausgasen verlässlich modellieren zu können, befragten sie Brunnenbesitzer und Tankwagenfahrer, aus welchen Brunnen sie wie viel Wasser fördern, wie groß die Entfernungen zwischen Brunnen und Absatzmarkt sind und wie häufig sie diese Routen fahren.

Bedeutung illegaler Wasserlieferungen wird stark unterschätzt

Mit diesem Modellierungsansatz gelang es den UFZ-Ökonomen erstmals, die Ausmaße des Schwarzmarktes beispielhaft für das Jahr 2015 in Zahlen zu fassen. Demnach übertraf die illegal gehandelte Wassermenge jene Menge, die über staatliche Lizenzen offiziell gehandelt werden durfte, um das 10,7-Fache, erklärte das UFZ. Das bedeute, dass 91 Prozent der im Jahr 2015 per Lkw gelieferten Wassermengen illegal aus Brunnen entnommen wurde. „Die Bedeutung der illegalen Wasserlieferungen per Tankwagen wurde bislang völlig unterschätzt“, sagte Klassert.

Nach Projektionen der Forscher wird die Bedeutung der Wasserlieferungen per Tankwagen weiter zunehmen. „Die Abhängigkeit der Haushalte von den Wassertanks wird bis zum Jahr 2050 um das 2,6-Fache steigen, also von 4,6 Prozent der Bevölkerung auf zwölf Prozent“, sagte Co-Autor und UFZ-Ökonom Prof. Erik Gawel. Wesentliche Gründe dafür seien das hohe Bevölkerungswachstum und die abnehmenden Grundwasservorräte. Gleichzeitig werde ein Teil der Haushalte diese Art der Wasserlieferungen aufgrund steigender Wasserpreise nicht mehr nutzen können: Da die durchschnittlichen Entfernungen zwischen Brunnen und Absatzmarkt von 13 auf 20 Kilometer stiegen und die Wasserförderung immer aufwendiger werde, könnte sich der Preis pro Kubikmeter Wasser von drei US-Dollar im Jahr 2016 auf vier US-Dollar im Jahr 2050 erhöhen. Ärmere Haushalte würden so an ihre finanziellen Grenzen stoßen, zumal der Preis dafür schon jetzt um fast das Fünffache über dem für Leitungswasser aus dem Hahn liege.

„Die Preise sind allerdings nicht grundlos überhöht, sondern bilden auch die Produktions-, Personal- und Transportkosten realistisch ab“, sagte Gawel. Für finanziell schwächer gestellte Bevölkerungsschichten müsste der Staat eingreifen, etwa indem er die staatliche Wasserversorgung verbessert oder den Kauf des Wassers für diese Bevölkerungsgruppen subventioniert, sagte er.

Grundwasserstand sinkt rapide

Die unkontrollierte Wasserentnahme wirke sich auch auf die Grundwasservorräte aus, so das UFZ. In Regionen, in denen der Anteil illegaler Brunnen besonders hoch sei, sinke der Grundwasserstand rapide, mancherorts um 3,5 Meter pro Jahr. Im Norden des Landes gehe das verfügbare Grundwasser in einigen Regionen den Modellierungen der UFZ-Ökonomen zufolge bis zum Jahr 2100 um bis zu 60 Prozent zurück. Die Entnahme von Brunnenwasser für Tankwagen trage signifikant zu dieser Entwicklung bei und mache in manchen Landesteilen ein Drittel des zu viel entnommen Wassers aus.

Untersucht haben die UFZ-Wissenschaftler auch, wie der Staat eingreifen kann, um die negativen Auswirkungen des Schwarzmarkts einzudämmen, hieß es weiter. Derzeit lasse die jordanische Regierung beispielsweise illegale Brunnen schließen. „Das stabilisiert zwar den Rückgang des Grundwasserspiegels, hat aber negative Folgen für finanziell schwächere Bevölkerungsschichten“, sagte Co-Autor Prof. Bernd Klauer, der am UFZ als Wasserökonom zu Wasserknappheits- und Wasserqualitätsproblemen forscht. Die Lastwagen müssten zunehmend entlegenere Brunnen anfahren, so dass für die Behörden die Kontrolle der Wassertransporte erschwert werde.

Reparatur maroder Wasserleitungen wäre eine sehr effiziente Lösung

Infrage kämen auch noch andere Maßnahmen wie der Bau großer Entsalzungsanlagen von Meerwasser oder eine stärkere Regulierung der Lieferung von Wasser für gewerbliche Nutzungen, nennt das UFZ weitere Lösungsansätze. Sehr effizient wäre aus Sicht der UFZ-Wissenschaftler die Reparatur der Wasserleitungen, aus denen wegen Leckagen viel Wasser verloren geht. „Würde der Staat in die maroden Wasserleitungen investieren, könnte das die Zunahme der unkontrollierten Grundwasserentnahme bis zum Jahr 2050 auf 19 Prozent drosseln, da nicht nur weniger Wasser verloren ginge, sondern das gelieferte Wasser auch gerechter verteilt würde“, sagte Klauer. Koppele man dies mit dem großflächigen Ausbau von Entsalzungsanlagen, könnte das die Nachfragen nach den Wasserlieferungen per Tankwagen entscheidend eindämmen.

Dass der Staat in jedem Fall handeln sollte, steht für die UFZ-Ökonomen außer Frage. „Das Ausmaß der Wasserlieferungen zeigt, wie unsicher der Zugang zu Trinkwasser in Jordanien jetzt schon ist. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung rasant, zumal das Land viele Geflüchtete aus dem Irak und aus Syrien aufgenommen hat. Die Probleme der Trinkwasserversorgung werden also nicht verschwinden, sondern immer drängender“, warnte Klassert.

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