EUWID-Interview: „Wir müssen uns um die breite Umsetzung kümmern“

Der diesjährige Sommer mit seinen Wetterextremen zeigt auf eindrückliche Weise, wie wichtig die Stärkung der Klimaresilienz vor Ort ist. Kommunen und Wasserwirtschaft stehen hier vor gewaltigen Herausforderungen. Über die Umsetzung von Schwammstadt-Projekten hat EUWID mit dem Präsidenten der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), Prof. Dr. Uli Paetzel, gesprochen.

Mit dem Bundes-Klimaanpassungsgesetz, der Nationalen Wasserstrategie und dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz hat die Bundesregierung neue Gesetzesvorhaben und Programme angestoßen, um die Kommunen in ihren Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu unterstützen. Insbesondere von der Wasserwirtschaft wird jedoch kritisiert, dass die angekündigten Fördermittel nicht ausreichen werden, um auf Starkregen und Überhitzung angemessen reagieren zu können. Liegt es allein an der Höhe der Fördermittel, dass wir beim Thema Schwammstadt nur langsam vorankommen?

Es liegt nicht nur an den Fördermitteln, aber auch. Wir müssen jetzt in eine Phase eintreten, in der wir uns nicht mehr über einzelne Pilot- und Leuchtturmprojekte zur Klimafolgenanpassung unterhalten. Wir müssen uns um die breite Umsetzung kümmern, also um neue Planungsgrundsätze bei der Stadtplanung und beim Bau unserer Infrastrukturen. Das bedeutet eine neue Form der Zusammenarbeit, neue Strukturen, neue Prozesse und auch neue Gesetze und Bauvorschriften.

Auch bei den Fördermitteln muss es jetzt um die breite Umsetzung gehen. Da haben wir aktuell noch keinen Mechanismus entwickelt, der mit der Größe des Problems schritthält. Mal hier und mal dort ein neuer Fördertopf wird leider nicht reichen. Wir brauchen eine Finanzarchitektur des Bundes, die sich aus der CO2-Abgabe ergeben muss, weil es einen direkten Sachzusammenhang zwischen Emission und Notwendigkeit zur Anpassung gibt. Zudem benötigen wir neue Möglichkeiten im Gebührenrecht vor Ort. In NRW können beispielsweise Entwässerungsgebühren auch für die überirdische Starkregenvorsorge verwendet werden.

Aber es geht nicht nur um die Starkregenvorsorge, sondern auch um Anpassungsstrategien für und während langanhaltender Trockenphasen. Genau dann brauchen wir Wasser für die Verdunstungskühlung und für den Erhalt unseres Stadtgrüns. Um intelligente Speicher zu planen, zu bauen und, ganz wichtig, dann auch zu unterhalten, ist eine Finanzierung notwendig. Hier muss der Gesetzgeber Möglichkeiten schaffen. Eine Anpassung des Gebührenrechts kann dabei definitiv eine Möglichkeit sein.

Sind nicht auch eine Überregulierung und zu viele unterschiedliche politische Interessen auf kommunaler Ebene ein Hemmschuh?

Die Demokratie lebt davon, dass unterschiedliche politische Interessen zusammenkommen und gemeinsam an einem Kompromiss arbeiten. Weil dies Zeit kosten kann, ist es wichtig, dass wir unsere Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigen und vereinfachen, um nicht bereits hier an Tempo zu verlieren. In der Praxis sind der fehlende Informationsaustausch und mangelnde interdisziplinäre Arbeit noch immer ein Problem. Hieran müssen wir arbeiten – und tun dies auch bereits sehr intensiv.

Bei uns in der Emscherregion bringt die Zukunftsinitiative Klima.Werk seit Jahren die verschiedensten Abteilungen in den Kommunen und Fachleute sehr erfolgreich zusammen. Und die DWA hat im Frühjahr die „Allianz, gemeinsam für eine wasserbewusste Stadtentwicklung“ ins Leben gerufen. Auch hier sind die verschiedensten Player – Raum- und Verkehrsplaner, Tiefbau- und Grünflächenämter, Architekten und Landschaftsarchitekten, Wissenschaft und Forschung – mit im Boot und tauschen sich intensiv aus. Es etabliert sich hier eine sehr gute Kultur des Miteinander, die sehr förderlich für die wasserbewusste Stadtentwicklung ist.

Sollten Kommunen das Schwammstadt-Konzept angesichts knapper Kassen nicht lieber modular angehen und sich zunächst auf die Reduzierung der Flächenversiegelung konzentrieren, bevor sie öffentliche Plätze aufwändig zu Multifunktionsflächen umbauen oder Systeme zur Speicherung von Niederschlagswasser errichten?

Nein, auf keinen Fall. Es muss lokal entschieden werden, was vor Ort zeitnah den größten Vorteil bei der Klimaanpassung bietet. Und dies gilt sowohl für die Starkregenvorsorge als auch für die Themen Trockenheit und Hitze. Wir müssen das Wasser ja nicht nur in der Stadt zurückhalten, wir müssen es dann auch nutzen.

Lesen Sie hier die Fortsetzung des Interviews...

 

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