Studie für Hessen: Wassercent kann Anreize zum sorgsamen Umgang mit Wasser setzen

Gutachter sehen keine Alternative zu Lenkungs- und Finanzierungsinstrument

Ein Wasserentnahmeentgelt, der sogenannte Wassercent, kann Lenkungsanreize zum sorgsamen Umgang mit Wasser setzen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Internalisierung von Umwelt- und Ressourcenkosten gemäß Vorgaben des Zukunftsplans Wasser“, die das Umweltministerium Hessen vorgestellt hat. Erstellt wurde die Studie von Prof. Erik Gawel von der Universität Leipzig, Leiter des Departments Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), und Prof. Wolfgang Köck, geschäftsführender Direktor des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Leipzig (IUPR). „Wenn Wasser Geld kostet, wird sich jeder überlegen, wo er sparen kann“, erklärte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne).

Die Einnahmen könnten dann zur Umsetzung der Maßnahmen aus dem Zukunftsplan Wasser und damit zur Sicherstellung der Wasserversorgung in Zeiten des Klimawandels beitragen. Praktikable und auch nur konzeptionell überzeugende Alternativen für ein solches Lenkungs- und Finanzierungsinstrument werden von den Gutachtern nicht gesehen.

Hessen erhebt bislang
noch keinen Wassercent

Hessen ist derzeit eines von nur drei Bundesländern, das bisher keinen Wassercent erhebt, so das Ministerium. Der Zukunftsplan Wasser des Landes Hessen sieht vor, mittels einer Studie zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, Umwelt- und Ressourcenkosten im Zusammenhang mit Wasserentnahmen in Hessen zu berücksichtigen. „Damit hat das Land eine weitere Maßnahme des Zukunftsplans Wasser erfolgreich umgesetzt“, betonte Hinz. In Hessen sei seit dem Jahr 2003 ein deutlicher Rückgang der Grundwasserneubildung zu beobachten. „Auch wenn wir ein Jahr haben, in dem es mehr regnet, genügt dies nicht, um die Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen“. Deshalb gebe es immer stärkere Nutzungskonflikte zwischen dem Wasserverbrauch von Städten, Siedlungsräumen, Landwirtschaft und Industrie.

Vorschläge für die Umsetzung eines Wasserentnahmeentgeltes in Hessen

Auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse und Erfahrungen in den 13 Bundesländern mit Wasserentnahmeentgelt werden von den Gutachtern Orientierungen und rechtlich abgesicherte Optionen für eine hessische Regelung zur Erhebung und Verwendung einer solchen Gebühr vorgestellt. Eine „Wassercent“-Regelung in Hessen würde an die derzeit in 13 Bundesländern geltende Abgabepflicht für Wasserentnahmen anknüpfen, welche das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner grundlegenden „Wasserpfennig“-Entscheidung von 1995 zur Abschöpfung von Sondervorteilen beim Zugriff auf den Wasserhaushalt als gerechtfertigt ansehe, heißt es in der Studie. Bayern plane zudem als 14. Bundesland die Einführung. Zugleich habe sich der Bund jüngst in seiner „Nationalen Wasserstrategie“ 2023 zu einem rechtspolitischen Vorhaben der „Harmonisierung und ggf. Bundesregelung“ eines „Wasserentnahmeentgeltes“ bekannt.

Als kombinierte Wirkungszweck-/Verwendungszweckabgabe könne eine solche Abgabe sowohl bei der Erhebung Lenkungsanreize zur vorsorgenden Ressourcenschonung und zur Ressourceneffizienz setzen als auch bei der Verwendung der aufkommenden Mittel durch Förderungen entscheidend zur Umsetzung der Maßnahmen nach dem Zukunftsplan Wasser beitragen. Zu den grundlegenden Optionen im Bereich der Mittelverwendung zählen den Gutachtern zufolge eine gesetzliche Zweckbindungsregelung der Abgabemittel, die gesetzlich anzuführenden Verwendungszwecke, gesetzliche oder untergesetzliche Ausführungsregelungen zur Mittelverwendung sowie Transparenzregelungen und Berichtspflichten.

Regelung sollte sich auf Grund-
und Oberflächenwasser erstrecken

Als Regel-Bemessungsgrundlage empfehle sich klar die tatsächliche jährliche Entnahmemenge, wie es ganz überwiegend im Recht der Länder verankert sei, sowie ergänzend eine hilfsweise Schätzregelung auf der Basis zugelassener Entnahmemengen. Dabei sollte sich eine Regelung für  Hessen auf Grund- und Oberflächenwasser erstrecken. Vor diesem Hintergrund klimabedingter Trockenphasen sei eine Beschränkung der Abgabepflicht auf Grundwasserentnahmen nicht mehr angezeigt, heißt es in der Studie. Dafür sprecht auch, dass in elf der 13 Erhebungsländer, darunter alle großen Flächenländer, auch Entnahmen von Oberflächenwasser abgabepflichtig seien.

Gegen Freistellung von Entnahmen durch die Landwirtschaft

Während Ausnahmen für gemeinwohlbezogene Entnahmen, wie etwa von Löschwasser, oder geringfügige Entnahmen sachgerecht von der Abgabepflicht freigestellt werden könnten, halten die Gutachter pauschale Freistellungen von Entnahmen mit individuellem Sondervorteil für problematisch. Insbesondere die im Recht der Länder anzutreffende völlige Freistellung landwirtschaftlicher Wasserentnahmen überzeuge angesichts der Herausforderungen des regionalen Klimawandels, sich verschärfender Knappheiten der Wasserverfügbarkeit und den Tendenzen zur Bewässerungslandwirtschaft als private Klimaanpassungsmaßnahme in einer pauschalen Form nicht. Die in Rheinland-Pfalz geplante Beendigung der pauschalen Freistellung land- und forstwirtschaftlicher Bewässerung erscheint den Gutachtern konsequent.

Im Hinblick auf eine Differenzierung von Abgabesätzen empfehlen die Gutachter für eine hessische Regelung, etwaige Differenzierungen möglichst systematisch aus unterschiedlichen Knappheitsbewertungen heraus abzuleiten. Rein verwendungsbezogene Differenzierungen seien abzulehnen. Als knappheitsbezogen könnten Differenzierungen bei Grund- versus Oberflächenwasser sowie bei Kühlwasser mit unmittelbarer Wiederzuführung in das Entnahmegewässer gesehen werden.

Bisherige Abgabensätze
„sehr zurückhaltend“

Zur Höhe von Abgabesätzen heißt es in der Studie, dass rechtlich als äußerste Grenze die die „Erdrosselung“ sowie die Äquivalenz zum Wert des Sondervorteils zu beachten sei, die aber durch die realtypischen Sätze im Recht der Erhebungsländer nicht annähernd gestreift werde. Dort reichten die Abgabensätze derzeit über den gesamten Bereich von Entnahmen faktisch von 0 bis hin zu 0,31 Euro pro Kubikmeter. In dem 2004 außer Kraft getretenen Hessischen Gesetz über die Erhebung einer Abgabe für Grundwasserentnahmen (HGruwAG) waren ab 1997 bis zu 0,56 Euro pro Kubikmeter vorgesehen. Dies entspräche inflationskorrigiert 2024 einem nominellen Abgabesatz von 0,95 Euro pro Kubikmeter. „Dies erscheint immer noch als sehr zurückhaltende Veranlagung des privatnützigen Zugriffs auf einen immer stärker von Knappheiten gekennzeichneten Wasserhaushalt“, schreiben die Gutachter.

Begrenzung auf
wasserwirtschaftliche Zwecke

Zu den Eckpunkten einer gesetzlichen Regelung zum Wasserentnahmeentgelt gehören laut Studie Vorschriften zur Zweckbindung. Mit Blick auf das Ziel, über die Abgabenkonstruktion als kombinierte Wirkungszweck- und Verwendungszweckabgabe den Zukunftsplan Wasser in seiner Umsetzung zu unterstützen, sollte das Abgabengesetz dabei zwar eine gewisse Begrenzung auf wasserwirtschaftliche Zwecke vorsehen und sonstige allgemeine Zwecke ausschließen, dabei jedoch alle Maßnahmenfelder des Zukunftsplans Wasser adressieren.             

Hinz: Wasserversorgung muss an den Klimawandel angepasst werden

„Die Wasserversorgung muss an den Klimawandel angepasst werden, um weiterhin in ganz Hessen gesichert zu sein. Dafür braucht es auch kostenintensive Maßnahmen, die über ein Wasserentnahmeentgelt finanziert werden können“, erklärte Umweltministerin Hinz. In kommunalen Wasserkonzepten würden derzeit durch Städte und Gemeinden regionale Bedarfe, Einsparpotenziale und Anpassungsbedarfe ermittelt.

„Wasser ist heute bereits und wird zukünftig noch stärker zu einem Standortfaktor werden,“ so die Umweltministerin. Gerade der ländliche Raum stehe vor einem erheblichen Investitionsbedarf und würde angesichts der in den kommenden Jahren notwendigen Anpassungsmaßnahmen von dem Finanzierungsinstrument des Wassercents profitieren, um die Wasserversorgung sicherzustellen. Da im Ballungsraum deutlich mehr Wasser verbraucht werde als im ländlichen Raum, könnte damit auch ein Stadt-Land-Ausgleich geschaffen werden wie er schon lange, insbesondere von der Region Vogelsberg, gefordert werde, so Hinz.

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