WHG-Novelle: IGB fordert, Verursacherprinzip in allen relevanten Bereichen umzusetzen

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Umweltministeriums vorgelegt

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Bei der Wiederverwendung von Wasserressourcen muss nach Einschätzung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) das Vorsorgeprinzip eine entscheidende Rolle spielen, weil die Standards in der derzeit eingesetzten Abwassertechnik nicht ausreichend sind, um langfristige Schädigungen der Ökosysteme, ihrer Ökosystemleistungen und damit auch unserer Lebensgrundlagen, wie z. B. Trinkwasser, auszuschließen. Diese Einschätzung macht das IGB im Rahmen einer Konsultation des Bundesumweltministeriums zum Referentenentwurf zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), mit dem die Wiederverwendung kommunalen Abwassers für die landwirtschaftliche Bewässerung gesetzlich geregelt werden soll.

Die Gesetzesanpassung ist durch eine entsprechende EU-Verordnung notwendig geworden. Die IGB-Forschenden betonen, dass die EU-Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung ist, der das Kreislaufprinzip in der Wasser- und Gewässerpolitik sowie im Behördenhandeln perspektivisch stärken könnte. Sie sprechen sich deshalb dafür aus, im geplanten Gesetz die Möglichkeiten des Vorsorgeprinzips so umfassend wie möglich auszuschöpfen und die Verwendung von Klarwasser (d. h. gereinigtes Abwasser) nur dann in der Landwirtschaft zuzulassen, wenn es aus Abwasserreinigungsanlagen stammt, die mindestens eine weitergehende Abwasserbehandlungsstufe zur effektiven Entfernung von Spurenstoffen implementiert haben und deren Wirksamkeit jederzeit sichergestellt und nachweisbar ist.

Dabei müssen laut IGB auch potenziell entstehende Abbauprodukte berücksichtigt werden, die ebenfalls eine Schadwirkung entfalten können. Diese weitergehende Abwasserbehandlung sollte mindestens dem jeweiligen aktuellen Stand der Technik entsprechen. Zudem sollten von behördlicher Seite klare Zielvorgaben für den Wirkungsgrad oder Grenzwerte für bestimmte Wasserinhaltsstoffe im Klarwasser festgelegt und engmaschig kontrolliert werden.

Die meisten kommunalen Kläranlagen entfernen Vielzahl der synthetischen Stoffe nicht oder nicht ausreichend

Die Forschenden begründen ihre Empfehlung damit, dass die meisten kommunalen Kläranlagen die Vielzahl von synthetischen Stoffen, wie z.B. organische Spurenstoffe, deren Transformationsprodukte und Nanopartikel, nicht oder nicht ausreichend entfernen. Jüngste Fortschritte bei den Analysetechniken zeigten das häufige Vorkommen von bisher übersehenen, hoch mobilen organischen Verbindungen in der aquatischen Umwelt, von denen viele persistent und potenziell toxisch sind. Die Quellen solcher Substanzen seien vielfältig: Sie stammen beispielsweise aus Medikamenten, Wasch- und Körperpflegeprodukten, Pflanzen- und Flammschutzmitteln, Beschichtungen oder Imprägnierungen. Diese Substanzen sollten grundsätzlich nicht in die Ökosysteme gelangen – egal, ob aquatisch oder terrestrisch, betont das IGB.

Die Abwasserbehandlung durch Sorptions- oder Oxidationsverfahren kann den Angaben zufolge zwar einige dieser Substanzen eliminieren, jedoch können dabei Transformationsprodukte entstehen, deren Stoffeigenschaften und Wirkung auf Umwelt und Mensch noch weitgehend unbekannt sind. Über das Klarwasser und die Vorfluter gelangen diese Stoffe in die Oberflächengewässer, insbesondere in Flüsse. Binnengewässer und schließlich die Meere müssten damit aktuell als die größten „Sammelbecken“ für potenziell gefährliche Reststoffe angesehen werden, was bereits heute und grundsätzlich ein großes Problem sei.

Würden diese Substanzen über das Klarwasser in der landwirtschaftlichen Bewässerung nun zusätzlich großflächig verteilt, könnten neben den terrestrischen Ökosystemen auch Grundwasserleiter und nahe Feuchtgebiete dauerhaft kontaminiert und insbesondere die Grundwasserleiter langfristig geschädigt werden. Solche großskaligen Schäden seien zu einem späteren Zeitpunkt dann kaum oder gar nicht mehr zu beheben.

Beobachtungsliste nicht auf Höchstzahl von Stoffen oder Stoffgruppen beschränken

Der Schlüssel zur Vermeidung neuer und zur Eindämmung bestehender Umweltverschmutzungen und Ökosystembelastungen liegt laut der Wissenschaftler*innen in der Minimierung und/oder Beseitigung der Schadstoffemissionen bereits an der Quelle. Das Verursacherprinzip sollte in allen relevanten Bereichen konsequent umgesetzt werden. Da sich die Anzahl der potenziell gefährlichen Stoffe, für die eine EU-weite Überwachung notwendig wäre, durch dynamische Entwicklungen sehr schnell erhöhen könne, sollte die entsprechende Beobachtungsliste nicht auf eine Höchstzahl von Stoffen oder Stoffgruppen beschränkt werden, so das IGB.

Zudem seien vermehrt neue Ansätze notwendig, um die Wirkungen komplexer Gemische von Wasserinhaltsstoffen in aquatischen Systemen beurteilen zu können, z.B. durch In-Vitro-Bioassays oder Toxizitätstests. Weil dies keine Behördenstandards sind, sollte bei solchen Bewässerungsvorhaben auch eine entsprechende Begleitforschung etabliert werden, heißt es in der Stellungnahme.

Entwurf enthält Abgrenzungsregeln zur „normalen" Abwasserbehandlung vor Einleitung in Oberflächengewässer

Der Gesetzentwurf sieht laut dem Umweltministerium zur Klarstellung und Ergänzung grundlegender Teile der Verordnung (EU) 2020/741 die Einführung eines eigenen Abschnitts im Wasserhaushaltsgesetz vor. Dieses Kapitel regelt einerseits Fragen des Anwendungsausschlusses der Verordnung (EU) 2020/741 für bestimmte Flusseinzugsgebiete oder Teile von Flusseinzugsgebieten. Hierzu wird den Ländern im Rahmen der Vorgaben der Verordnung (EU) 2020/741 ein Handlungsspielraum eingeräumt. Darüber hinaus enthält der Entwurf Abgrenzungsregelungen zur „normalen" Abwasserbehandlung vor Einleitung in ein Oberflächengewässer, besondere Zulassungs- und Überwachungserfordernisse für die Aufbereitung, Verteilung und Wiederverwendung von aufbereitetem Abwasser sowie Berichtspflichten und Sanktionen für Verstöße gegen die Regelungen.

Das sei aus systematischen Gründen im WHG notwendig, aber vor allem auch aus Gründen der Kostenanlastung. Denn während die Kosten der Abwasserbehandlung vom Betreiber der Abwasserbehandlungsanlage auf den Gebührenzahler umgelegt werden, sollen die zusätzlichen Kosten der Wasserwiederaufbereitung allein vom Betreiber der Aufbereitungsanlage getragen werden und auf den Endnutzer umgelegt werden können, heißt es im Entwurf vom 28. Februar 2024.

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