Bericht der UN-Universität warnt vor Erschöpfung der Grundwasserleiter

Grundwasserleiter versorgen über zwei Milliarden Menschen mit Trinkwasser

Aus mehr als der Hälfte der großen Grundwasserleiter der Welt wird mehr Wasser entnommen, als sich auf natürliche Weise wieder auffüllen kann. Diese Aussage trifft ein neuer Bericht der Universität der Vereinten Nationen (UNU-EHS). Die unterirdischen Grundwasserspeicher steuern auf einen Kipppunkt zu, heißt es in dem Bericht „Interconnected Disaster Risks 2023“ des in Bonn ansässigen Instituts für Umwelt und menschliche Sicherheit der UN-Universität. Der Risiko-Kipppunkt sei der Verlust des Zugangs zu Süßwasserressourcen in den Grundwasserleitern.

Wenn der Grundwasserspiegel als Folge der Entnahme dauerhaft unter das Niveau der vorhandenen Brunnentiefe sinkt, verlieren die Landwirte plötzlich ihre Wasserquelle, was ganze Lebensmittelproduktionssysteme gefährden kann, heißt es in dem Bericht. Einige Länder wie Saudi-Arabien hätten diesen Kipppunkt der Grundwassererschöpfung bereits überschritten, andere, wie Indien, seien nicht weit davon entfernt.

Rund 70 Prozent der Entnahmen für die Landwirtschaft verwendet

Grundwasserleiter versorgten über zwei Milliarden Menschen mit Trinkwasser. Rund 70 Prozent der Entnahmen würden allerdings für die Landwirtschaft verwendet, oft dann, wenn nicht genügend Wasser aus oberirdischen Wasserquellen zur Verfügung steht. Grundwasser federt etwa die Hälfte der Verluste in der Landwirtschaft ab, die durch Dürren entstehen, heißt es in dem Bericht.

21 von 37 der größten Grundwasserleiter der Welt würden schneller erschöpft sein, als sie natürlichem Wege wieder aufgefüllt werden könnten. Wenn der Grundwasserspiegel als Folge der Entnahme dauerhaft unter das Niveau der vorhandenen Brunnentiefe sinkt, verlieren die Landwirte plötzlich ihre Wasserquelle, was ganze Lebensmittelproduktionssysteme gefährden könne.

Einige Länder haben die
Auswirkungen bereits erlebt

Der Bericht verweist darauf, dass einige Länder die Auswirkungen bereits erlebt haben: So sei Saudi-Arabien Mitte der 1990er Jahre auf Grundlage von großflächiger Grundwasserentnahme zur Bewässerung der sechstgrößte Weizenexporteur der Welt gewesen, aber die Brunnen liefen trocken und das Land musste auf Weizenimporte zurückgreifen.

Indien und andere Länder stünden derzeit kurz vor diesem Risiko. Dem Bericht zufolge ist zu erwarten, dass sich die Erschöpfung der Grundwasserleiter weltweit auf die Nahrungsmittelsysteme, die Wirtschaft und die Umwelt auswirken werde. Betroffen sei auch die Fähigkeit, künftige landwirtschaftliche Verluste aufgrund von durch den Klimawandel verursachten Dürren zu bewältigen.

Risiko durch abschmelzende
Gletscher

Ein weiteres Risiko sieht der Bericht in dem Abschmelzen der Gletscher, die aufgrund der globalen Erwärmung heute doppelt so schnell schmelzen wie in den letzten zwei Jahrzehnten. Zwischen 2000 und 2019 verloren die Gletscher pro Jahr 267 Gigatonnen Eis. Schmelzwasser aus Gletschern und Schnee liefere Wasser zum Trinken, für die Bewässerung, Wasserkraft und für Ökosysteme ganzer Regionen.

Der Risikokipppunkt ist in diesem Zusammenhang der „Peak water" - der Punkt, an dem ein Gletscher das maximale Volumen an Wasserabfluss durch Schmelzen produziert, führen die Autoren aus. Nach diesem Punkt werde die Verfügbarkeit von Süßwasser stetig abnehmen.

Bei vielen kleinen Gletschern in Mitteleuropa, Westkanada und Südamerika sei der Peak bereits erreicht oder in den nächsten zehn Jahren zu erwarten. In den Anden, wo der Höchststand des Wassers für viele Gletscher bereits überschritten sei, hätten die Gemeinden mit unzuverlässigen Wasserquellen für Trinkwasser und die Bewässerung zu kämpfen. Der Quelccaya-Gletscher Peru sei in den letzten 30 Jahren um 31 Prozent geschrumpft, was zu periodischer Wasserknappheit in der Trockenzeit führe. Schätzungsweise mehr als 90.000 Gletscher im Himalaya, im Karakorum und im Hindukusch-Gebirge seien derzeit in Gefahr, den Kipppunkt zu erreichen, was eine Bedrohung für die fast 870 Millionen Menschen darstellt, die von ihnen abhängig sind, heißt es in dem Bericht.

Nach dem Kipppunkt steigt das Risiko katastrophaler Auswirkungen

Der Bericht definiert einen Risiko-Kipppunkt als den Moment, in dem ein bestimmtes sozio-ökologisches System nicht mehr in der Lage ist, Risiken abzufedern und die erwarteten Funktionen zu erfüllen. Nach dem Kipppunkt steige das Risiko katastrophaler Auswirkungen auf diese Systeme erheblich an.

Weitere Risiko-Kipppunkte, vor denen der Bericht warnt, sind das eskalierende Artensterben, Weltraumschrott, unerträgliche Hitze und der Verlust von Versicherbarkeit. Die Systeme, die eng mit uns und unserem Leben verbunden sind - Ökosysteme, Ernährungssysteme und Wassersysteme – seien in Gefahr. Wenn sich der Zustand eines Systems verschlechtere, geschehe dies in der Regel nicht auf eine einfach zu erkennende und vorhersehbare Weise, so die Autoren. Vielmehr baue sich langsam Instabilität auf, bis plötzlich ein Kipppunkt erreicht wird und das System sich grundlegend verändert oder sogar ganz zusammenbricht, was katastrophale Auswirkungen haben könne.

Heutige Lösungen konzentrieren
sich mehr auf Verzögerung
als auf Transformation

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass sich die heute umgesetzten Lösungen eher auf eine Verzögerung als auf Transformation konzentrieren, obwohl die Notwendigkeit transformativen Wandels, um die globalen Ziele für den Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft zu erreichen, zunimmt. Hier würden tiefergehende Veränderungen erforderlich sein, um eine Zukunft zu vermeiden, in der sich die Risiken immer weiter vervielfachen.

„Indem wir maßlos unsere Wasserressourcen ausbeuten, die Natur und die Artenvielfalt zerstören und sowohl die Erde als auch den Weltraum verschmutzen, bewegen wir uns gefährlich nahe an den Rand mehrerer Risiko-Kipppunkte, die genau die Systeme zerstören könnten, von denen unser Leben abhängt“, sagte Zita Sebesvari, Hauptautorin des Interconnected Disaster Risks Berichts und stellvertretende Direktorin von UNU-EHS. „Darüber hinaus verlieren wir durch sie auch einige unserer Werkzeuge und Möglichkeiten, um mit zukünftigen Katastrophenrisiken besser umgehen zu können.“ „Sobald wir uns diesen Kipppunkten nähern, werden wir anfangen, die Auswirkungen zu spüren. Wenn wir sie einmal überschritten haben, wird es schwierig sein, zurückzukehren", warnt Jack O'Connor, Hauptautor und leitender Experte bei UNU-EHS.                               

Den „2023 Interconnected Disaster Risks report“ der UNU EHS finden Sie hier: link.euwid.de/gs22n

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