Bei Fischschutz und Fischabstiegsanlagen fehlen rechtlich anerkannte Standards

UBA-Bericht: Bei neueren Wasserkraftanlagen etablieren sich Standards

Bei der Umsetzung von Fischschutz und Fischabstiegsanlagen fehlen technische Standards, die rechtlich anerkannt sind. Der Gesetzgeber ist hier nicht aktiv geworden, so dass es keine anerkannten Regeln der Technik zu Fischschutz und Fischabstiegsanlagen gibt - dieses Fazit zieht der Abschlussbericht zu dem „Forum Fischschutz und Fischabstieg“, den das Umweltbundesamt (UBA) herausgegeben hat. Das Forum Fischschutz und Fischabstieg, vom UBA im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens des Umweltforschungsplans des Bundesumweltministeriums eingerichtet, hat sich den Angaben zufolge seit dem Jahr 2012 der Diskussion des Themas Fischschutz und Fischabstieg unter fachlichen und umweltpolitischen Gesichtspunkten zwischen und innerhalb der einzelnen Fachdisziplinen und Zuständigkeiten gewidmet.

Allerdings besteht dem Bericht zufolge der Eindruck, dass sich gewisse Standards etablieren und durchsetzen, insbesondere bei Wasserkraftanlagen (WKA), die in jüngerer Zeit umgebaut oder neu gebaut wurden. So würden in der Regel mechanische Barrieren eingesetzt, deren Stababstand je nach Zielart 10, 15 oder 20 mm beträgt, die Anströmgeschwindigkeiten liegen unter 0,5 m/s, und die Anlagen verfügen über einen Bypass am abstromigen Ende. Einige Behörden sowie der Verband der Fischereiverwaltung und Fischereiwissenschaft (VDFF) erkennen das Handbuch „Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen“ von 2013 als Standard an, heißt es. Ein umfassendes Regelwerk werde von der Arbeitsgruppe WW-7.1 „Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen“ der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) in Form eines Merkblatts zu Fischschutz und Fischabstiegsanlagen erarbeitet.

Fortschrittsprozess „von Anlage zu Anlage“ setzt sich nicht durch

Ein schrittweise vorgehender technisch-wissenschaftlicher Fortschrittsprozess „von Anlage zu Anlage“, wie er von dem Forum empfohlen worden ist, setzt sich dem Bericht zufolge nicht flächendeckend durch. Vielmehr werde oft an der Praxis der nachträglichen Korrektur von Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen festgehalten, was zu der vor allem von Wasserkraftbetreibenden beklagten „Spirale von Nachbesserungen” führe.

Eine maßgebliche Ursache für den nur langsam fortschreitenden Erkenntnisgewinn beim Fischschutz und Fischabstieg sehe das Forum darin, dass zahlreiche Gutachten nicht veröffentlicht worden seien. Es gelte, die Veröffentlichungskultur durch eine Verpflichtung zur Veröffentlichung zu verbessern. Das müsse zumindest für Monitorings oder Funktionskontrollen gelten, die durch öffentliche Mittel gefördert wurden.

Keine Verbesserung der Informations- und Kommunikationskultur

Ebenso kritisiert der Bericht, dass eine Verbesserung der allgemeinen Informations- und Kommunikationskultur in den letzten zehn Jahren nicht zu beobachten sei. Die wünschenswerte frühzeitige Einbindung von Projektbetroffenen in den Prozess zur Erarbeitung einer Vorzugslösung für den Fischschutz und Fischabstieg ist in den vorgegebenen Genehmigungsprozessen nicht vorgesehen und daher vom persönlichen Engagement Einzelner abhängig.

Effektivität von Fischschutzrechen belegt

Zahlreiche Freiland- und Laboruntersuchungen belegen den Angaben zufolge, dass Fischschutzrechen auf Grund ihres Einflusses auf das Fischverhalten verhindern können, dass Fische in Turbinen einschwimmen, obwohl es ihnen aufgrund ihrer Körpergröße möglich wäre. Dennoch gebe es Wissenslücken darüber, worauf genau die Verhaltensreaktionen der Fische vor Fischschutzrechen beruhen und welche Verhältnisse vor und in Bypässen ein optimales Ableiten der Fische am Gefahrenbereich vorbei garantiert.

Generelle Aussagen würden durch artspezifische Unterschiede und multiple Einflussvariablen erschwert. Hinsichtlich der Bedeutung einzelner Wirkfaktoren auf die Fischpopulation einschließlich derer, die mit Wasserkraftnutzung in Verbindung stehen, bestünden Kenntnislücken. Insbesondere hinsichtlich der populationsbiologischen Effekte sieht der Bericht noch einen hohen Forschungsbedarf.

Für die meisten WKA steht funktionstüchtige Fischschutztechnologie zur Verfügung

Im Hinblick auf technische Maßnahmen für den Fischschutz und Fischabstieg heißt es in dem Bericht, dass es gegenwärtig einen Stand des Wissens und der Technik gebe, mit dem funktionsfähige Fischschutzrechen an WKA bis ca. 50 m³/s Beaufschlagung je Rechenanlage einschließlich der erforderlichen Reinigungstechnik für Fische ab 10 cm Totallänge realisiert werden könnten. Insofern stehe – rein technisch betrachtet – für den weitaus überwiegenden Teil des Wasserkraftwerkparks in Deutschland eine funktionstüchtige Fischschutztechnologie zur Verfügung. Fischschutzsysteme sollten dabei die drei Grundfunktionen Blockieren, Leiten und Ableiten gewährleisten.

Im Zusammenhang mit den diskutierten Lösungen für WKA mit mehr als 50 m³/s Beaufschlagung pro Rechenfeld zeige die Forschung zu physisch passierbaren, mechanischen Verhaltensbarrieren, zum Beispiel zum horizontal bar rack bypass system (HBRS), neue Anwendungsbereiche für Standorte, wo enge lichte Stababstände nicht realisierbar sind. Insbesondere bei großen WKA spielten bereits jetzt neben mechanischen Schutzsystemen der Einbau von fischschonenden Turbinen, der fischschonende Anlagenbetrieb oder andere Schutzmaßnahmen eine wichtige Rolle.

Mit der Arbeitshilfe zur standörtlichen Evaluierung von Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen sowie dem darauf aufbauenden DWA-Themenband (DWA 2021) seien fundierte praxistaugliche Grundlagen für die Erfolgskontrolle von Fischschutzmaßnahmen geschaffen worden, heißt es in dem Bericht. Das im Rahmen des Forums Fischschutz und Fischabstieg entstandene Fact Sheet 05 „Wann ist ein Rechen ein Fischschutzrechen?“ widme sich zudem im Detail der Methodik zur Ermittlung von Schädigungsraten. Alle drei Dokumente zielten insbesondere auf eine bessere Vergleichbarkeit der Untersuchungsergebnisse und die zukünftige Planung von Untersuchungen ab.

Monitoringprojekte zur Überprüfung der Wirkung von Maßnahmen erforderlich

Auch wenn in den letzten Jahren zahlreiche standortbezogene Begleituntersuchungen zu Fischschutzmaßnahmen erfolgt seien, fehlen dem Abschlussbericht zufolge weiterhin systematische und abgestimmte Untersuchungskonzepte an unterschiedlichen Standorten. Zur Wirksamkeit verschiedener Abstiegssysteme, einschließlich solcher für den Blankaal, bestehe noch erheblicher Forschungsbedarf. Es seien langfristige und systematisch geplante Monitoringprojekte erforderlich, die die Wirkung von Maßnahmen auf die Fischlebensgemeinschaft und die Entwicklung von Best-Practice-Ansätzen überprüfen. Dieser Ansatz sei mit einer methodisch abgestimmten Untersuchung mehrerer WKA-Standorte in Bayern mit neuen Fischschutzkonzepten verfolgt worden wurde und habe wertvolle Erkenntnisse geliefert.     

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