Kritik an „unverhältnismäßigen Pflichten“ in Trinkwassereinzugsgebieteverordnung

VKU, BDEW und DVGW: behördliche Aufgaben an Versorger delegiert

Der vom Bundesumweltministerium vorgelegte Entwurf der Trinkwassereinzugsgebieteverordnung (TrinkwEzgV) stößt seitens der Verbände VKU, BDEW und DVGW weitgehend auf Ablehnung. Die Verbände sehen mit großer Sorge, dass der Entwurf unverhältnismäßige Anforderungen und Pflichten für die Wasserversorger zur Folge hätte, heißt es in einem Schreiben des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) an das Bundesumweltministerium (BMUV). Insbesondere die in dem Verordnungsvorschlag vorgesehene Verpflichtung der Wasserversorger zur umfassenden Risikobewertung der Trinkwassereinzugsgebiete erwecke den Eindruck, „dass behördliche Aufgaben einfach an den Wasserversorger delegiert werden“.

Die Anforderungen an das Risikomanagement seien in der vorgesehenen Form für Betreiber von Trinkwassergewinnungsanlagen und Behörden nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu bewältigen.

„Mehraufwendungen in einem hohen dreistelligen Millionenbereich“

Die erwarteten erheblichen Mehraufwendungen bei der ersten Bewertung der rund 16.000 Einzugsgebiete in Deutschland werde allein für die betroffenen rund 4.300 Wasserversorger in einem hohen dreistelligen Millionenbereich liegen, so die Verbände. Hinzu kämen dann noch die Folgekosten durch die Revisionen und die Aufwände der Behörden. Trotzdem sei angesichts der enthaltenen Unverbindlichkeiten in der Festlegung von geeigneten Managementmaßnahmen nicht zu erwarten, dass die Risiko- und Belastungssituation für die Trinkwasserressourcen verringert werde, heißt es in dem Schreiben.

Nach Auffassung der Verbände steht die Verpflichtung der Wasserversorger zur gesamten Risikobewertung der Einzugsgebiete grundsätzlich im Widerspruch zur Intention der EU-Trinkwasserrichtlinie, eine angemessene Aufteilung der Zuständigkeiten zur Umsetzung des risikobasierten Ansatzes vorzunehmen. Zudem sehen die Verbände in dem Verordnungsentwurf einen Widerspruch zum Verursacherprinzip. Die unklare Hinwirkungspflicht der zuständigen Behörden zur Umsetzung von notwendigen Risikomanagementmaßnahmen in anderen Sachbereichen sei für eine wirksame Umsetzung des Verursacherprinzips nicht ausreichend.

BMUV: Umsetzung von Artikel 7 und 8 der Trinkwasserrichtlinie

Die Verordnung dient dem BMUV zufolge insbesondere der Umsetzung von Artikel 7 und 8 der Trinkwasserrichtlinie zum „Risikobasierten Ansatz für sicheres Wasser“ und zur „Risikobewertung und Risikomanagement der Einzugsgebiete von Entnahmestellen von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ in deutsches Recht. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie ist bereits am 12. Januar 2023 abgelaufen. Die EU-Kommission hat daher bereits Ende Februar 2023 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Risiken soll vorgebeugt werden

Die Verordnung umfasst die Risikobewertung und das Risikomanagement der Einzugsgebiete von Entnahmestellen für die Trinkwassergewinnung und verfolgt das Ziel, das Rohwasser, das Grundwasser und das Oberflächenwasser in den Einzugsgebieten zu schützen und somit den Umfangs der Aufbereitung von Trinkwasser zu verringern. Dafür sollen mit Hilfe einer Risikoabschätzung mögliche Risiken in den Einzugsgebieten identifiziert werden, woraufhin eine entsprechende, zielgerichtete Untersuchung des Wassers in den Einzugsgebieten möglich ist. Durch ein Risikomanagement, das auf den Daten der Risikoabschätzung und den Untersuchungen aufbaut, soll Risiken nach Möglichkeit vorgebeugt werden oder ihnen entgegengewirkt bzw. sollen sie minimiert werden, so das Umweltministerium.

Betreiber muss
Einzugsgebiete bewerten

Dem Entwurf zufolge umfasst dieser risikobasierte Ansatz die gesamte Versorgungskette von der Wassergewinnung im Einzugsgebiet über die Aufbereitung und Speicherung bis zur Verteilung des Wassers. Der Betreiber einer Wassergewinnungsanlage muss die Einzugsgebiete von Entnahmestellen für die Trinkwassergewinnung mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik bewerten. Da die Betreiber über die umfassendsten Kenntnisse über das Einzugsgebiet verfügten, sei das ihre Aufgabe, die Einzugsgebiete zu bewerten, heißt es in dem Entwurf. Auch die Abgrenzung und Kartierung der Einzugsgebiete soll durch die Betreiber erfolgen. Auf der Grundlage der Bewertung lege die zuständige Behörde Risikomanagementmaßnahmen fest.

Beispielsweise sind für ein Grundwassereinzugsgebiet laut Verordnungsentwurf die hydrogeologischen, hydrochemischen und geohydraulischen Verhältnisse unter Berücksichtigung der Nutzungsverhältnisse zu beschreiben, wobei auf das DVGW-Arbeitsblatt W 101 werden könne. Bei Talsperren-Einzugsgebieten sind laut Entwurf die naturräumlichen Gegebenheiten im Einzugsgebiet sowie die Funktionen und Eigenschaften der Talsperre und ihrer Zuflüsse auf Basis der Daten des Bewirtschaftungsplans nach § 83 WHG zu beschreiben - insoweit könne auf das DVGW-Arbeitsblatt W 102 (A) vom März 2021 zurückgegriffen werden, das Topografie, hydrologische Verhältnisse, hydrogeologische und bodenkundliche Verhältnisse, Limnologie und Hydrografie und Belastungen umfasst. Das gilt auch für Seen und Fließgewässer.

Bewertung soll ab 2026
alle sechs Jahre überprüft werden

Die Bewertung ist erstmalig bis zum 12. Januar 2026 durchzuführen, danach spätestens alle sechs Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren, heißt es in dem Verordnungsentwurf. Risikomanagementmaßnahmen sind erstmalig bis zum 12. Juli 2026 festzulegen, danach spätestens alle sechs Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Der Betreiber muss über die Bestimmung und Beschreibung des Einzugsgebietes sowie zu den Ergebnissen der Gefährdungsanalyse und der Risikoabschätzung des Einzugsgebiets - erstmals bis zum 12. Juli 2024 und anschließend alle sechs Jahre - einen Bericht erstellen und der zuständigen Behörde übermitteln.

Die Implementierung eines vollständigen risikobasierten Ansatzes für die Sicherheit der Trinkwasserversorgung erfordert neben Änderungen insbesondere des Infektionsschutzgesetzes und der Trinkwasserverordnung, die jeweils Gegenstand gesonderter Rechtsetzungsverfahren in der federführenden Zuständigkeit des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) waren bzw. sind, auch Anpassungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie den Erlass einer neuen Rechtsverordnung des Bundes, eben der Trinkwassereinzugsgebieteverordnung, erläutert der VKU. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, mit dem in § 50 Abs. 4a WHG insbesondere die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Trinkwassereinzugsgebieteverordnung geschaffen wurde, ist am 12.1.2023 in Kraft getreten.

Den Verbänden zufolge soll die Verordnung voraussichtlich im Herbst im Bundesrat beraten werden. 

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