BayVGH: Gewässerschutz rechtfertigt Beschränkung des Düngemittel-Einsatzes

Klagen von Landwirten gegen Landesdüngeverordnung weitgehend erfolglos

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat in drei Musterverfahren die Ausweisung von roten und gelben Gebieten durch die Bayerische Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung (AVDüV) mit Urteilen vom 22. Februar 2024 als rechtmäßig bestätigt und grundsätzliche Einwände gegen die Verordnung zurückgewiesen. Lediglich in einem vierten Musterverfahren stellte der BayVGH spezifische Mängel an einer Messstelle fest und erklärte die Gebietsausweisung allein für den Grundwasserkörper bei Thalmassing für unwirksam (Aktenzeichen: 13a N 21.183, 13a N 21.3158, 13a N 21.3145 und 13a N 23.936 vom 22. Februar 2024).

Die AVDüV setzt aufgrund europa- und bundesrechtlicher Vorgaben zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat oder Phosphat bestimmte Gebiete fest, die als sogenannte „rote Gebiete“ mit Nitrat belastet sind oder als „gelbe Gebiete“ in der Nähe eines eutrophierten Gewässers liegen, führt der BayVGH in einer Mitteilung zu den Urteilen aus. In diesen Gebieten gelten besondere Beschränkungen für den Einsatz von Düngemitteln. So darf in einem roten Gebiet z.B. maximal 80 Prozent des errechneten Stickstoffdüngebedarfs gedüngt werden.

Landwirte sehen sich in
Grundrechten verletzt

Die Antragsteller, bei denen es sich um Landwirte aus verschieden Regierungsbezirken Bayerns handelt, sehen sich durch die AVDüV in ihren Grundrechten der Eigentums- und Berufsfreiheit verletzt, so der BayVGH. Zudem seien auch die jeweiligen konkreten Gebietsausweisungen fehlerhaft. Die zugrundeliegende Messnetzdichte und die Abgrenzung von belasteten zu unbelasteten Bereichen seien unzureichend. Einzelne Messstellen entsprächen nicht dem Stand der Technik.

BayVGH: 20 Prozent-Kriterium kein
unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte der Landwirte

Der BayVGH ist dem nicht gefolgt und hat die Anträge der Landwirte in den ersten drei Musterverfahren abgelehnt. Die Düngebeschränkungen seien den Antragstellern im Interesse des Gewässerschutzes zumutbar. Der Gewässerschutz stelle nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine höchstrangige Gemeinwohlaufgabe dar. Die damit verbundenen belastenden Auswirkungen wie etwa der reduzierte Düngemitteleinsatz seien zulässige und von den Landwirten hinzunehmende Einschränkungen ihrer Grundrechte.

Auch die Anwendung des sogenannten 20 Prozent-Kriteriums, wonach die Gesamtfläche der landwirtschaftlichen Parzelle dem belasteten Gebiet zuzurechnen ist, falls mindestens 20 Prozent in dem belasteten Gebiet liegt, stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Landwirte dar. Die von der Regelung betroffenen Parzellen fielen in Relation zur gesamten Gebietsausweisung nicht nennenswert ins Gewicht. Es handele sich um eine zulässige Vereinfachung bei der Berechnung der Gebietsausweisungen.

Bayern kann sich bei Messnetzdichte auf Übergangsregelung berufen

Wegen der Wichtigkeit des Gewässerschutzes habe es keiner Befreiungs-, Ausnahme- und Entschädigungsregelungen bedurft. Die mittels Verwaltungsvorschrift ausgestalteten Anforderungen an das Ausweisungsmessnetz und die Abgrenzung unbelasteter Bereiche seien eingehalten, auch wenn die erforderliche Messnetzdichte im Freistaat Bayern derzeit noch nicht vollständig erfüllt sei. Der Freistaat Bayern könne sich insoweit auf eine Übergangsregelung berufen. Hinsichtlich der einzelnen Messstellen hätten mit Ausnahme des vierten Musterverfahrens, das den Grundwasserkörper bei Thalmassing betrifft, keine Mängel festgestellt werden können, die sich auf die Gebietsausweisung auswirkten.

Der BayVGH hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in allen Verfahren zugelassen. Die Revision könne nach der Zustellung der Urteilsgründe innerhalb von einem Monat eingelegt werden.

Agrarministerin Kaniber: Entscheidung schafft Klarheit bei roten Gebieten

Die bayerische Agrarministerin Michaela Kaniber erklärte, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe Klarheit geschaffen. Die Urteile bestätigten das Vorgehen Bayerns bei der Ausweisung im Jahr 2022; die Ausweisungsverordnung sei grundsätzlich rechtmäßig. In dem Fall der als nicht geeignet angesehenen Messtelle sei die Urteilsbegründung abzuwarten.

Der gesamten Bayerischen Staatsregierung sei aber auch bewusst, dass sowohl im Interesse der Landwirte als auch der gesamten Gesellschaft das Ausweisungsmessnetz bis Ende des Jahres 2024 auf 1.500 Ausweisungsmessstellen ausgebaut werden müsse. Das bleibe eine große Herausforderung für die Wasserwirtschaftsverwaltung und das Umweltministerium. Die Beschlüsse des Bayerischen Kabinetts aus den vergangenen Jahren zum Ausbau des Ausweisungsmessnetzes hätten weiterhin höchste Priorität.

Wichtig sei aber auch, dass der Bund endlich die versprochene verursachergerechte Regelung beim Düngerecht angehen müsse - das habe Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor zwei Jahren in einer Protokollerklärung im Bundesrat verbindlich zugesagt. „Darauf warten die Landwirte immer noch. Versprochen – gebrochen. Die Leidtragenden sind wieder mal die Bauern", so Kaniber.

Nachdem aufgrund der neuen Bundesvorgaben zum Ende November 2022 die mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebiete in Bayern mit der Änderung der Ausführungsverordnung Düngeverordnung (AVDüV) neu ausgewiesen werden mussten, seien mittlerweile über 60 Normenkontrollanträge gegen die Ausweisung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig, geklagt hätten circa 1.000 landwirtschaftliche Betriebe, führte das Agrarministerium aus. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe vier Musterverfahren abgetrennt - und nun die ersten Urteile in den Musterverfahren verkündet.

Bauernverband: Rückschlag
für betroffene Landwirte

Der Bayerische Bauernverband hat es als einen Rückschlag bezeichnet, dass der VGH drei von den insgesamt 66 Klagen abgewiesen hat. Das Urteil im Zusammenhang mit dem Grundwasserkörper „1G085“ zeige aber auch, dass die Kritik der Landwirtinnen und Landwirte berechtigt sei, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Um transparente und verursachergerechte Regelungen zu schaffen, müssten die Mängel bei der Ausweisung beseitigt werden, sagte Stefan Köhler, Vorsitzender des Landesfachausschusses für Umweltfragen im Bayerischen Bauernverband. „Die betroffenen Landwirte und der Bayerische Bauernverband werden sich deshalb weiter konsequent für eine nachvollziehbare und zielgerechtete Sicherung der Wasserqualitäten einsetzen.“

Nachdem die vier Entscheidungen nur vier Grundwasserkörper betreffen, bleibe nun abzuwarten, wie mit den anderen 62 anhängigen Verfahren fortgefahren wird. Daneben bleibe nach Vorlage der Urteilsgründe zu prüfen, ob zumindest in einzelnen der jetzt abgeschlossenen Verfahren Rechtsmittel eingelegt werden könnten. „Zu hoffen bleibt nun, dass in den vier abgeschlossenen Verfahren abseits möglicher Rechtsmittel eine baldige Überprüfung der Gebietskulisse erfolgt und in diesem Zusammenhang Verbesserungen für die wirtschaftenden Betriebe erreicht werden können“, sagte Köhler.              

- Anzeige -

- Anzeige -