Staatsgerichtshof Bremen bestätigt absoluten Vorrang des Hochwasserschutzes

Volksbegehren zum Schutz der Platanen am Neustädter Deich unzulässig

Ein Volksbegehren zum Schutz der Platanen auf dem Neustädter Deich in Bremen ist nicht zulässig, da die Funktionssicherung von Hochwasserschutzanlagen absoluten Vorrang hat. Das hat der Staatsgerichtshof Bremen gestern mit einem Urteil bestätigt (Aktenzeichen: St 2/22 vom 11.03.2024). Danach sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben, weil der dem Volksbegehren zugrundeliegende Gesetzentwurf mit Bundesrecht unvereinbar sei.

Der Staatsgerichtshof hatte bereits im Dezember 2022 ein entsprechendes Volksbegehren per Beschluss abgelehnt. Gegenstand des Volksbegehrens ist der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Platanen am Neustädter Deich, führt der Gerichtshof aus. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Baumbestand der 136 Platanen am Neustädter Deich in Bremen am linken Weserufer mit künftigen Ersatz- und Ergänzungspflanzungen zum geschützten Landschaftsbestandteil im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) erklärt wird. Danach wäre es verboten, die Platanen oder Teile von ihnen zu entfernen, zu zerstören, zu beschädigen oder in ihrem Weiterbestand zu beeinträchtigen. Die untere Naturschutzbehörde könnte eine Befreiung von diesem Verbot für ein Projekt gewähren, wenn eine solche aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig wäre und zumutbare Alternativen nicht gegeben wären oder wenn die Durchsetzung des Verbots im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde.

Gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben

Mit dem Urteil hat der Staatsgerichtshof festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht gegeben sind. Zwar scheitere das Volksbegehren nicht bereits daran, dass von den Initiatoren des Volksbegehrens kein Finanzierungsvorschlag vorgelegt worden sei. Eines solchen Finanzierungsvorschlags bedürfe es nur bei finanzwirksamen Volksbegehren, die finanzielle Folgen für zukünftige Haushalte auslösten. Dafür reiche es aber nicht aus, dass solche Folgen nur möglich erschienen, diese letztlich aber ungewiss seien und im Gestaltungsermessen der Exekutive verblieben. Es sei vorliegend überhaupt nicht ersichtlich, dass der sich aus dem Gesetzentwurf ergebende Schutz der Platanen zwingend zu einem Modell des Hochwasserschutzes führen müsse, das kostenintensiver sei, als das derzeit vom Senat favorisierte Modell.

Absolute Vorrangregel im Sinne einer „Funktionssicherungsklausel“

Das Volksbegehren sei jedoch unzulässig, weil der ihm zugrundeliegende Gesetzentwurf mit geltendem Bundesrecht nicht vereinbar sei. Die darin enthaltenen Maßnahmen zum Schutz der Platanen am Neustädter Deich widersprächen § 4 Satz 1 Nr. 6 BNatschG. Der Freien Hansestadt Bremen fehle die Gesetzgebungskompetenz, um eine von dieser Vorschrift abweichende landesrechtliche Regelung zu treffen. Wie der Gerichtshof ausführt, bestimmt § 4 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG, dass bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken des Hochwasserschutzes dienen oder in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen seien, die bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten sei. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine absolute Vorrangregel im Sinne einer „Funktionssicherungsklausel“.

Maßnahmen, die der Nutzung für den Hochwasserschutz entgegenstehen, ausgeschlossen

Behördliche Maßnahmen, die die bestimmungsgemäße Nutzung der Flächen – also die Nutzung der Flächen für den Hochwasserschutz – beeinträchtigten oder ihr entgegenstünden, seien daher ausgeschlossen, heißt es in dem Urteil. Dieser von dem Bundesgesetzgeber vorgenommenen Wertung widerspreche es, wenn der Stellenwert des Naturschutzes am Neustädter Deich – wie der Gesetzentwurf dies vorsehe – durch den Schutz der Platanen deutlich erhöht und der Hochwasserschutz demgegenüber gemindert würde. Denn damit wäre die gesetzlich verankerte vorrangige Nutzung der Flächen für den Hochwasserschutz nicht mehr gewährleistet. Aus diesem Grund verstoße der Gesetzentwurf gegen § 4 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG und damit gegen Bundesrecht.

Bremen würde Gesetzgebungskompetenz fehlen

Um eine solche vom Bundesrecht abweichende landesrechtliche Regelung treffen zu können, fehle der Freien Hansestadt Bremen aber die Gesetzgebungskompetenz. Denn die Regelung in § 4 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG gehöre zu den allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes, die zwingend dem Bund vorbehalten seien.

Auf die zwischen den Verfahrensbeteiligten kontrovers diskutierte Frage, ob die Pflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 5 Abs. 2 der Landesverfassung Bremens, das Recht seiner Bürgerinnen und Bürger auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen, zur Unzulässigkeit des Volksbegehrens führe, kam es aufgrund der bereits aus den vorstehenden Gründen festgestellten Unvereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit Bundesrecht nicht mehr an, stellt der Gerichtshof fest.

Senatorin: Stadtstrecke kann nun in die Umsetzung gehen

Die Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft Kathrin Moosdorf (Grüne) teilte mit, die sogenannte Stadtstrecke könne nun in die Umsetzung gehen. Am Neustädter Deich müssten Bäume gefällt werden, damit die Bremer Neustadt weiterhin sicher vor Hochwasser geschützt ist. Es sei gut, dass der Staatsgerichtshof den Hochwasserschutz so stark gemacht habe und die Stadtstrecke in diesem Abschnitt neu und für die Zukunft hochwasserfest gestaltet werden könne.

Grund dafür, dass am linken Weserufer der Deich zwischen Eisenbahnbrücke und Deichschart von Grund auf neu gebaut und erhöht werden soll, seien die Prognosen des Weltklimarates, die voraussagen, dass der Meereswasserstand deutlich höher und deutlich schneller ansteigen werde als angenommen. Außerdem würden höhere und häufiger auftretende Sturmfluten erwartet. Für den Bereich am linken Weserufer seien mehr als 40.000 Bremerinnen und Bremer unmittelbar davon abhängig, dass die Deiche diesen extremeren Bedingungen standhalten. Die künftige Stadtstrecke solle Hochwasserschutz, mehr Grün und Aufenthaltsqualität vereinen. So sollten neben Radwegen auch breite, barrierefreie Fußwege und Grünflächen entstehen. Darüber hinaus sollten bis zu 180 neue, klimaresiliente Bäume gepflanzt werden, die hinter der Deichlinie stehen. Damit sei die Deichsicherheit gewährleistet.

Die Planungen für die Stadtstrecke seien weit fortgeschritten. Derzeit vertiefen die Planungsverantwortlichen gemeinsam mit den Ingenieur- und Gutachterbüros den Rahmentwurf. Die Wünsche der Neustädterinnen und Neustädter, die im Begleitgremium von 2023 erarbeitet wurden, fließen in diesen Rahmenentwurf mit ein. Im kommenden Jahr soll der Rahmenplan der Senatorin zufolge vorliegen und der Senat darüber beschließen.     

Das Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen finden Sie hier: link.euwid.de/r0csr

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