Urteil: Besitzer von Hausbrunnen nicht von Anschluss- und Benutzungszwang befreit

BayVGH: Persönliches Motiv nicht Gemeinwohlgründen entgegenzuhalten

Die Besitzer von Hausbrunnen haben in der Regel kein schützenswertes Interesse an einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, wenn zu erwarten ist, dass das Brunnenwasser nicht als Trinkwasser verwendet werden darf. Das ist der Fall, wenn es die in der Trinkwasserverordnung enthaltenen Mindestanforderungen nicht erfüllt, heißt es in einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Aktenzeichen 4 ZB 23.816 vom 5.9.2023).

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, wollte für ihr Grundstück vom Anschluss- und Benutzungszwang der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung befreit werden, so der VGH zum Sachverhalt. Die beklagte Gemeinde stellte Juli 2021 in einem Schreiben fest, dass für den betreffenden Ortsbereich die Wasserversorgungsleitung am 15. Dezember 2020 fertiggestellt worden sei und das klägerische Grundstück an die Wasserversorgungseinrichtung anzuschließen sei.

Landratsamt: Schachtbrunnen
entspricht nicht mehr den Vorgaben

Ende November 2021 teilte das Landratsamt der Klägerin mit, dass bei einer Untersuchung ihres Brunnenwassers am 11. November 2021 eine Grenzwertüberschreitung des Indikatorparameters „Coliforme Bakterien“ von 10/100 ml sowie eine Belastung beim Parameter „Pseudomonas aerugionosa von 3/100 ml und eine erhöhte Kolonieanzahl bei 22 C° von 300/100 ml festgestellt worden seien. Es sei beabsichtigt, die Nutzung des Brunnenwassers für den menschlichen Gebrauch zum 30. April 2022 zu untersagen; ein Schachtbrunnen dieser Art entspreche nicht mehr den Vorgaben der DIN 2001.

Im März 2022 lehnte die Gemeinde den Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang ab. Zugleich verpflichtete sie die Klägerin, den gesamten Trinkwasserbedarf des Grundstücks ausschließlich aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu decken. Innerhalb eines Monats nach Bestandskraft des Bescheids müsse die Eigentümerin den Zusammenschluss der Hausanlage des Anwesens mit der Grundstücksanschlussleitung von einem geeigneten Installationsfachbetrieb durchführen lassen und durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass aus der Hausbrunnenanlage keine Rückwirkungen in das öffentliche Wassernetz möglich seien.

VG Regensburg weist Klage ab

Das Verwaltungsgericht Regensburg wies die gegen den entsprechenden Bescheid gerichtete Klage der Eigentümerin mit einem Urteil ab (Aktenzeichen RN 11 K 22.1266 vom 27.03.2023). Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte, unabhängig von der Wasserqualität des Hausbrunnens, dem Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung den Vorrang einräume, da öffentliche Wasserversorgungsanlagen regelmäßig eine gründlichere und häufigere Kontrolle des Wassers und damit einen erhöhten Schutz der menschlichen Gesundheit gewährleisteten, so das Urteil des VG Regensburg.

Gemeinwohl überwiegt Interesse
der Eigentümerin an Befreiung

Die Erfordernisse des Gemeinwohls überwögen das Interesse der Eigentümerin an einer Befreiung. Das Bestehen einer eigenen Wasserversorgungsanlage führe nicht per se zu einem Anspruch auf Befreiung, auch wenn sie funktionsfähig und gesundheitlich unbedenklich sei. Die Höhe der Anschlusskosten könne zwar in Einzelfällen zu einem Befreiungsanspruch führen, wenn sie außer Verhältnis zum Wert des Grundstücks unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Ausnutzbarkeit stünden. Zum Vorliegen unzumutbar hoher Anschlusskosten habe die darlegungspflichtige Klägerin aber keine Angaben gemacht.

Unzumutbar sei der Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgung auch nicht wegen der Kosten für Errichtung bzw. die Sanierung des hauseigenen Brunnens. Da dieser bereits vor dem Jahr 1760 errichtet worden sein solle, sei bezüglich der Errichtungskosten von einer Vollamortisation auszugehen, so das Verwaltungsgericht. Ein – zeitlich beschränkter – Befreiungsanspruch könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Hausbrunnen nach dem Eigentümerwechsel im Jahr 2020 grundlegend renoviert worden sei. Zum einen stehe dem die zumindest schwankende Wasserqualität des Hausbrunnens entgegen; zum anderen sei eine komplette Renovierung mit einem Kostenumfang von geschätzt 10.000 Euro in der mündlichen Verhandlung zwar behauptet, jedoch nicht durch die Vorlage von Rechnungen belegt worden.

VGH lehnt Zulassung der Berufung ab

Der VGH hat den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt. Die Besitzer von Hausbrunnen haben dem Urteil zufolge in der Regel kein schützenswertes Interesse an einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, wenn zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass das Brunnenwasser nicht als Trinkwasser verwendet werden darf, da es die in der Trinkwasserverordnung enthaltenen Mindestanforderungen entspricht. Von einem solchen zwingenden Befreiungshindernis sei hier auszugehen.

Nutzung des historischen Brunnens
rein persönliches Motiv und kein
besonderer Grund für eine Befreiung

Unabhängig von der unzureichenden Wasserqualität des eigenen Brunnens scheitere der Befreiungsantrag der Klägerin auch daran, dass es an einem besonderen Grund fehlt, der die Befreiung von der für jedermann geltenden Anschluss- und Benutzungspflicht hinsichtlich der gemeindlichen Wasserversorgungseinrichtung rechtfertigen könnte.

Die beim Kauf des Anwesens vorhandene Absicht, die seit Jahrhunderten bestehende Brunnenanlage weiterhin zur Trinkwasserversorgung zu nutzen, könne als rein persönliches Motiv nicht den mit der Unterhaltung einer öffentlichen Versorgungseinrichtung verbundenen Gemeinwohlgründen entgegengehalten werden, stellt das Gericht fest. Es sei auch nicht zu erkennen, dass über die bloße bauliche Instandhaltung des historischen Hausbrunnens hinaus auch an dessen Weiterbenutzung als Bezugsquelle für Trinkwasser ein spezielles denkmalschutzrechtliches Interesse bestehen könnte.

Berufung auf Kosten nach
Eigentümerwechsel nicht möglich

Die Klägerin kann sich dem VGH zufolge auch nicht auf die nach dem Eigentümerwechsel im Jahr 2020 entstandenen Kosten der Brunnensanierung berufen, die sich bei einer Außerbetriebnahme nicht mehr amortisieren könnten. Denn es bestehe grundsätzlich kein Befreiungsanspruch, wenn ein Eigentümer ohne zwingenden Grund noch in eine private Wassergewinnungsanlage investiert, obwohl bereits konkret absehbar ist, dass sein Grundstück in naher Zukunft an das öffentliche Leitungsnetz angeschlossen wird, heißt es in dem Urteil.

Den Streitwert für das Zulassungsverfahren hat der VGH Bayern auf 5.000 Euro festgesetzt.

Den Beschluss des VGH Bayern finden Sie hier: link.euwid.de/c2lg4

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