EUWID-Interview: „Viele verteilte Sensoren können die Realität frühzeitiger erfassen“

Die verheerende Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hat offenbart, dass der Katastrophenschutz nicht mehr am Puls der Zeit ist. Dr. Roland Fischer befasst sich als Experte im Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies (CCIT) mit unterschiedlichen Einsatzszenarien im Katastrophenfall. Gemeinsam mit anderen Experten erforscht er, wie aktuelle Sensortechnologien und Kamerasysteme im Zusammenspiel mit Analysesoftware, KI-Modellen und Computern der neuesten Generation eingesetzt werden können, um Situationsanalysen in Echtzeit in funktionierende Kommunikation mit Bevölkerung und Einsatzkräften zu verwandeln – und das auch in Extremsituationen. Anlässlich des zweiten Jahrestags der Hochwasserkatastrophe hat EUWID mit ihm darüber gesprochen.

Herr Dr. Fischer, was sind Ihre Forschungsschwerpunkte innerhalb des Themas „Katastrophenschutz der Zukunft“?

Die Forschungsschwerpunkte sind in drei Themenfelder eingeteilt: „Sensordaten für den Katastrophenschutz“ – hierzu gehört auch das Thema Sensoren, IoT und Datenhaltung, „Maschinelles Lernen für bessere Lagebilder“ – hier stehen neuronale Netze zur Auswertung von Luftbildern und Prognoseverfahren im Zentrum, sowie als dritter Themenblock „Software-Entwicklung und Planungsverfahren für die Brand- und Katastrophenschutzbedarfsplanung“.

Die Hochwasserkatastrophe von 2021 hat gezeigt, dass es sowohl in der Alarmierungskette als auch im eigentlichen Einsatz große Kommunikationsdefizite gegeben hat. Wie kann die Kommunikation vor allem zwischen Meteorologen, Hydrologen und Katastrophenschützern verbessert werden?

Die Auswirkungen der Katastrophe wären so vielleicht nicht eingetreten, wenn die Kommunikation breiter gestreut worden wäre, als das noch möglich war. Wenn eine Warnmeldung nur an einen oder wenige Empfänger gesendet wird, steigt die Gefahr, dass sie nicht weitergeleitet wird. Das ist ein Single Point of Failure im System. Man muss hier vielleicht auch unterscheiden zwischen einer Warnung und der Erzeugung erhöhter Aufmerksamkeit. Durch die Ausbringung vieler verteilter Sensoren, wie es unser Ziel ist, kann die Realität frühzeitiger erfasst und das dahinter liegende System vielleicht auch besser automatisiert werden. Die Bewertung und Kommunikation dazu bleibt letztlich weiter den handelnden Personen überlassen. Wir versorgen sie jedoch mit besseren Informationen.

Nach dem Juli-Hochwasser 2021 wurde außerdem deutlich, dass für die Prognosefähigkeit kleinerer Fließgewässer neue Instrumente entwickelt werden müssen. Inwiefern könnte Ihre Forschung hier helfen?

Unser Ansatz ermöglicht es unter anderem, leichtgewichtige, günstige Sensoren verschiedener Art einzusetzen, um durch Verdichtung des Sensornetzes die Datenqualität zu erhöhen. Dadurch entsteht Klasse durch Masse. Gleichzeitig ermöglichen wir es, außergewöhnliche Umweltereignisse schneller zu erkennen und damit auch schneller zu reagieren und Alarm zu schlagen. Dabei können beispielsweise feste Kameras – ein Projekt unserer Dresdner Kollegen – oder Webcams eine Alternative zu teuren und aufwändig zu installierenden Pegelstationen sein: Es ist nur wenig lokal vorzuhaltende Rechenleistung notwendig, um aus dem Vergleich von aktueller Aufnahme und Referenzbildern den aktuellen Pegel eines Baches am Standort zu bestimmen und aus diesen Messwerten Prognosen abzuleiten. Zwar sind die aus dem Bild extrahierten Messwerte nicht so genau, die Kamera kann aber einen weitaus größeren Bereich erfassen als die teure Pegelstation und wird nicht so leicht durch im angeschwollenen Bach mitgerissene Steine, Äste o.ä. außer Betrieb genommen. Zusätzlich ist ihr Anwendungsbereich nicht nur auf Pegelbeobachtung beschränkt.

Die Fortsetzung des Interviews finden Sie hier......

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