Aktionsbündnis fordert Neubewertung des Oder-Ausbau-Abkommens nach Wahl in Polen

Tiefe Gräben bei Konferenz zum geplanten Oder-Ausbau

Anlässlich der Regierungsneubildung in Polen und der „Regionalkonferenz Grenzoder“ des Bundesverkehrsministeriums hat das Aktionsbündnis Lebendige Oder eine Neubewertung des deutsch-polnischen Abkommens für den Oder-Ausbau und ein sofortiges Aussetzen der Umsetzung der Stromregelungskonzeption auf deutscher und polnischer Seite gefordert. „Das Abkommen zwischen Deutschland und Polen muss zwingend neu bewertet und ein Sanierungskonzept für den Fluss entwickelt werden“, sagte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne stellvertretend für die zehn am Aktionsbündnis beteiligten Organisationen.

Die geplanten Maßnahmen an der Oder könnten die Hochwassergefahr im Sommer erhöhen, heißt es in der Mitteilung des DNR. Das massenhafte Auftreten der Goldalge im August 2022 mit ihren fatalen Folgen für das Ökosystem verschärfe zudem die ökologischen Auswirkungen, die weitere Ausbaumaßnahmen am Fluss auf die geschädigte Natur haben.

Neubildung der polnischen
Regierung als eine Chance

Die Wahl in Polen und die jetzt folgende Neubildung einer polnischen Regierung sei deshalb auch eine Chance, die Zusammenarbeit für eine wirksame Vorsorge vor Hochwasser und vor Umweltkatastrophen an der Oder auf eine neue Grundlage zu stellen. „Unsere Forderung richtet sich klar an Bundesverkehrsminister Wissing, in dessen Zuständigkeit die Oder als Bundeswasserstraße fällt. Das Ministerium setzt mit seiner Regionalkonferenz in Frankfurt (Oder) über ein Jahr nach der Katastrophe endlich den Startschuss für den Dialog“, sagte Schöne. Der Dialog müsse den Boden bereiten, um mit möglichst vielen Akteuren eine lebenswerte Zukunft entlang der Oder zu gestalten, anstatt eine Konzeption umzusetzen, die diese Zukunft gefährde. Schöne verwies auf die zusammen mit polnischen und tschechischen Naturschutzverbänden in der Koalition „Zeit für die Oder” im September vorgelegte Zukunftsvision für die Oder. Jetzt müsse Wissing seiner Verantwortung gerecht werden, den Ausbau auf deutscher Seite stoppen und den angestoßenen Dialog über die Zukunft der Oder auf politischer Ebene weiterführen.

Bundesverkehrsministerium will an dem Vorhaben festhalten

Bei der Konferenz zum geplanten Ausbau der Oder, zu der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geladen hatte, sind erneut tiefe Gräben zwischen den Vorstellungen des Bundesverkehrsministeriums und den Umweltministerien des Landes Brandenburg und des Bundes zutage getreten. Auf der Konferenz in Frankfurt (Oder) wurde auch darüber diskutiert, ob an den vor acht Jahren beschlossenen Ausbauplänen festgehalten werden soll. Das Verkehrsministerium sprach sich dafür aus, das Umweltressort reagierte dagegen verhalten.

Nicht-Handeln sei keine Alternative, sagte Susanne Henckel, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, nach Angaben von Teilnehmern. Der Verzicht auf Eingriffe jeglicher Art mache die Oder zum Zweck der Güterschifffahrt und für den Eisaufbruch nicht mehr brauchbar. „Unser Ziel an der Oder ist es Naturschutz, Schiffbarkeit und die Anforderungen des internationalen Hochwasserrisiko-Managementplans in Einklang zur bringen.“

„Das deutsch-polnische Abkommen von 2015 sollte auf den Prüfstand“

Das deutsch-polnische Abkommen von 2015 sollte auf den Prüfstand, sagte Stefan Tidow, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Die Ausgangslage habe sich gegenüber 2015 deutlich verändert. So waren die Effekte des Klimawandels nicht ausreichend Gegenstand der Überlegungen. Er nannte den Verzicht auf Ausbaumaßnahmen auf deutscher Seite wünschenswert. Das Abkommen zum Oder-Ausbau von 2015 hat einen besseren Hochwasserschutz über die Abfuhr von Eis zum Ziel und regelt den Ausbau von Bauwerken wie Buhnen und die Vertiefung des Flusses.

Vogel: Schifffahrt muss
sich an Fluss anpassen

Die Schifffahrt müsse sich an den Fluss anpassen, nicht der Fluss an die Schifffahrt, sagte Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel. Sein Ministerium unterstütze in Maßen eine angepasste Schifffahrt, die gelegentlich auch Eingriffe in den Fluss erforderlich mache. „Es gab Gerichtsurteile, die besagt haben, hier ist ein Baustopp vorzunehmen“, sagte Vogel vor der Konferenz. Die polnische Seite habe das weder politisch noch behördlich durchgesetzt. Hier sei gegen bestehende Absprachen gehandelt worden. Der Bund sei gut beraten, mit Blick auf eine mögliche neue Regierung auf Polen zuzugehen und zu schauen, wie sich die Rahmenbedingungen seit 2015 geändert haben.

NABU: Grund für
Vertiefung vorgeschoben

Ein wesentlicher Bestandteil der Pläne ist die Vertiefung des Flusses auf mindestens 1,80 Meter. Diese soll die permanente Befahrbarkeit durch die Eisbrecherflotte gewährleisten und so Eishochwasser verhindern. Die Umweltschutzorganisation Nabu, die auch dem Aktionsbündnis angehört, hält diesen Grund für die Vertiefung für vorgeschoben. In der Flotte habe es bis zur Unterzeichnung des Abkommens allerdings überhaupt keine Schiffe gegeben, die solch eine Tiefe erforderten. Ein derartiger Fall, in dem das Eis aufgrund einer zu geringen Wassertiefe nicht gebrochen werden konnte, sei darüber hinaus völlig unbekannt, erklärte ein NABU-Sprecher. Es scheine so, als ginge es bei diesem Projekt lediglich darum, die Schiffbarkeit zu fördern.

Vertreter der Logistikbranche machten deutlich, dass sie sich eine bessere Befahrbarkeit der Oder wünschten. Es müssten möglichst viele Güter von der Straße auf die Wasserstraße, hieß es von einem Vertreter der Deutsche Binnenreederei GmbH. Nun müsse nach gangbaren Kompromissen gesucht werden. Die Wasserstraßen schafften das, was die Schiene nicht mehr packe, sagte ein Vertreter der Logistikbranche. Dafür sei die Schiene nicht leistungsfähig genug.

Linke fordern gemeinsame
Position von Bund und Land

Die Linken im Brandenburger Landtag betonten, dass die Verantwortlichen im Bund und im Land endlich eine gemeinsame Position vertreten müssten. „Es geht nicht an, dass sich die jeweiligen Umweltministerien mit Positionen gegen den Ausbau profilieren, während die Verkehrsministerien den Ausbau weiter betreiben“, sagte eine Sprecherin der Fraktion. „Dass die unterschiedlichen Ministerien nun Oder-Konferenzen mit gegensätzlichen Ausrichtungen durchführen, ist absurd.“

Mehrere Umweltverbände hatten im vergangenen Jahr Klage gegen den Ausbau der Grenz-Oder beim Verwaltungsgericht in Warschau eingereicht. Die Genehmigung der polnischen Umweltbehörde zum Ausbau der Oder wurde daraufhin vorläufig aufgehoben.

Im Sommer vergangenen Jahres verendeten in der Oder Hunderte Tonnen Fische und Weichtiere. Fachleute gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift einer Algenart wesentliche Ursachen für das Fischsterben waren. Das Fischsterben sorgte dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern zunächst deutlich schwieriger wurde. (EUWID/dpa)

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