Emschergenossenschaft/Lippeverband und Klimaschutzministerium NRW für verstärkte Aquathermie-Nutzung

„Wärmewende kann mit Aquathermie gelingen“

Für eine gesteigerte Nutzung der Abwasserwärme haben sich das Wasserwirtschaftsunternehmen Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV) und die nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) ausgesprochen. Abwasser sei weit mehr als ein Abfallprodukt: Der stetige Strom an Abwasser sei besonders aufgrund seiner konstant hohen Temperatur eine verlässliche Energiequelle, teilte die Emschergenossenschaft in Zusammenhang mit einer Informationsveranstaltung in Bochum zum Thema Aquathermie mit.

„Die Aquathermie ist gerade im Einzugsgebiet von Emscher und Lippe eine Möglichkeit, um die Wärmewende erfolgreich umzusetzen. Um diese Potenziale künftig zu heben, ist es besonders wichtig, alle relevanten Akteure zusammen zu bringen und wirksam zu vernetzen“, sagte Neubaur.

Vier bis zwölf Millionen Menschen könnten klimafreundlich heizen

Bisher spiele Abwasser in der Debatte zur Energiewende noch eine untergeordnete Rolle, so die Emschergenossenschaft. „Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Abwasser wird es immer geben. Es ist eine lokale, sichere, regenerative und langfristig verfügbare Energiequelle und unkompliziert nutzbar“. Die Aquathermie sei eine gängige Technologie, die hierzulande jedoch kaum genutzt werde. In Frankreich sei man da bereits deutlich weiter: Der Elysée-Palast, der Senat sowie das Gebäude der Assemblée Nationale würden unter anderem auch mit aus dem Pariser Abwasserkanalnetz gewonnener Wärme geheizt, so der Wasserwirtschaftverband. In Deutschland fließe täglich eine gigantische Menge Abwasser durch hunderttausende Kilometer Kanalnetz, das bisher weitgehend ungenutzte Restwärme enthalte. Mit dieser Restenergie könnten in Deutschland vier bis zwölf Millionen Menschen klimafreundlich heizen.

Paetzel: Schatz, den es zu heben gilt

„Wir als Metropole Ruhr wollen die grünste Industrieregion der Welt werden. Dies gelingt nur mit Innovationen und einem ganzen Werkzeugkoffer an verschiedenen Technologien. Die Nutzung von Aquathermie ist solch eine Technologie“, sagte Frank Dudda, Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft. Nirgendwo sei das unterirdische Kanalnetz so dicht wie im Ruhrgebiet, das mit seinen über fünf Millionen Einwohner*innen eines der größten Ballungsgebiete in Europa ist. „Darin schlummert ein gewaltiges Potenzial an bisher ungenutzter Energie. Nicht nur ökologisch liegt hier ein Schatz, den es zu heben gilt. Auch ökonomisch ist die Abwasserwärmenutzung eine ernst zu nehmende Alternative zu fossilen Energieträgern und bietet ein hohes Maß an Versorgungssicherheit“, sagte Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.

Abwasserwärme als Baustein eines kommunalen Wärmekonzepts

Die EGLV weist darauf hin, dass Kommunen aktuell vor der Herausforderung stehen, eine Wärmeplanung aufzustellen. Abwasserwärme könne einen nachhaltigen und effizienten Baustein eines ganzheitlich betrachteten, kommunalen Wärmekonzepts bilden. Insbesondere für Abnehmer wie Seniorenwohnheime, Bäderbetriebe oder Kläranlagenbetreiber sei Abwasserwärme eine sinnvolle Möglichkeit, sich von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen.

Ein gutes Beispiel sei das Pilotprojekt von EGLV in Kooperation mit der Stadtwerke Bochum GmbH auf, bei dem 2009 die Aquathermie im Bochumer Nord-West-Bad umgesetzt wurde (EUWID 9.2009). „Wir nutzen die Abwasserwärme aus dem nahegelegenen Marbach. Mit messbarem Erfolg: Wir decken damit bis zu 65 Prozent des Wärmebedarfs und sparen gleichzeitig bis zu 40 Prozent CO2. Diese Technologie ist sicher dazu geeignet, künftig einen großen Beitrag in der Wärmenutzung zu leisten“, erklärte Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch.

Abwasser hat selbst im Winter relativ hohe und konstante Temperaturen

„Im Gegensatz zu fossilen Energieträgern wie Öl, Kohle und Gas – die nur endlich verfügbar sind und über ihre Verbrennung klimaschädliche Emissionen mit erheblichen Folgeschäden und -kosten erzeugen – ist Abwasser fast überall und dauerhaft verfügbar und hat selbst in den Wintermonaten relativ hohe und konstante Temperaturen“, sagte Frank Obenaus, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft. Das Abwasser verlasse die Haushalte mit einer Durchschnittstemperatur von 25 Grad. In den unterirdischen Kanälen habe es durch die gute Isolierung des Erdreichs je nach Jahreszeit eine Durchschnittstemperatur von rund zehn bis 15 Grad. Wird ein Wärmetauscher im Kanalrohr oder idealerweise im Ablauf einer Kläranlage installiert, überträgt er die Wärme und macht diese in Kombination mit einer Wärmepumpe für den Heizkreislauf nutzbar, erläuterte Obenhaus. Somit könne mit Abwasserwärme geheizt oder im umgekehrten Fall auch gekühlt werden.

EGLV-Netz könnte den Wärmebedarf einer Stadt mit zirka 30.000 Einwohner*innen decken

Mit seiner hohen Bevölkerungsdichte und der daraus resultierenden Dichte des Kanalnetzes in Verbindung mit mehreren Großkläranlagen ist das Ruhrgebiet laut EGLV wie keine andere Region in Deutschland dafür geeignet, mit Abwasserwärme zu heizen und zu kühlen. Mehrere Hundert Kilometer dieses dichten Kanalnetzes gehörten EGLV. „Wenn nur zehn Prozent der potenziellen Abwasserwärme genutzt würden, könnte das EGLV-Netz den Wärmebedarf einer mittelgroßen Stadt mit zirka 30.000 Einwohner*innen decken“, so Paetzel.

Die Emschergenossenschaft und der Lippeverband, mit rund 1.700 Beschäftigten nach eigenen Angaben Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen, verfügen über rund 782 Kilometer Wasserläufe, rund 1.533 Kilometer Abwasserkanäle, 546 Pumpwerke und 69 Kläranlagen.           

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