BVerwG: Planfeststellung für Deichbau in Düsseldorf-Himmelgeist ist rechtswidrig

Bundesverwaltungsgericht bestätigt Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW

Die Genehmigung der Bezirksregierung Düsseldorf für den Neubau eines Deiches entlang des Rheins im „Himmelgeister Rheinbogen" in Düsseldorf ist rechtswidrig und nicht vollziehbar - diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW hat das Bundesverwaltungsgericht mit einem Beschluss bestätigt (Aktenzeichen BVerwG 10 B 2.23 vom 11.5.2023), mit dem es die Beschwerde der beklagten Bezirksregierung Düsseldorf gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen hat.

Der BUND NRW wandte sich als Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf zum „Bau der Hochwasserschutzanlage Himmelgeister Rheinbogen in Düsseldorf-Himmelgeist zwischen Rhein-km 723,9 und 728,9 rechtes Ufer“, führt das BVerwG aus. Mit der Klage setzte sich der BUND NRW dafür ein, eine Zurückverlegung des Deiches und damit die Schaffung eines deutlich größeren Hochwasserrückhalteraums zu erreichen. Die Bezirksregierung hatte der Stadt Düsseldorf im Jahr 2020 mit einem wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss die Erlaubnis erteilt, den bestehenden, aber nicht mehr den Anforderungen genügenden Deich an der Stelle des bisherigen Verlaufs neu zu errichten.

Das Oberverwaltungsgericht gab der Klage statt, soweit der BUND hilfsweise beantragt hatte, den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären (Aktenzeichen 20 D 122/20.AK vom 3.2.2022). Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sei bereits formell rechtswidrig, so das OVG. Er leide an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG), wonach die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens verlangt werden kann, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist.

OVG: Verbesserungsgebot nicht
hinreichend berücksichtig

Zudem sei der Planfeststellungsbeschluss materiell rechtswidrig, weil er gegen zwingende und damit im Wege der Abwägung nicht zu überwindende Vorschriften des Wasserhaushaltsgeseztes (WHG) und der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verstoße. Das aus § 27 Abs. 2 Nr. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ergebende wasserrechtliche Verbesserungsgebot sei nicht hinreichend berücksichtigt. Demnach dürfe ein Vorhaben nicht zugelassen werden, wenn seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Umweltziele aus den Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie fristgerecht zu erreichen. Eine entsprechend aussagekräftige Prüfung habe die Bezirksregierung im Verfahren nicht vorgenommen.

Des Weiteren hat die Bezirksregierung dem OVG zufolge die Vorgabe des § 77 Abs. 2 WHG nicht zutreffend gewürdigt. Nach dieser Vorschrift sollen frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, soweit wie möglich wiederhergestellt werden, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen.

Das Gericht hatte den Planfeststellungsbeschluss allerdings nicht aufgehoben. Es sei nicht auszuschließen, dass die festgestellten Mängel in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten, so das OVG. Die Revision gegen das Urteil hatte das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen.

BVerwG: Umweltauswirkungen
nicht ordnungsgemäß öffentlich
bekannt gemacht

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann es dahinstehen, ob der Rechtssache die ihr von der Bezirksregierung beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die von ihr aufgeworfenen Fragen zukommt, ob es sich bei § 77 Abs. 2 WHG um zwingendes Recht oder um ein planungsrechtliches Optimierungsgebot, welches im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist, handelt.

Das gelte auch für die Fragen, ob § 77 Abs. 2 WHG dahingehend auszulegen sei, dass es sich bei sämtlichen Flächen unmittelbar hinter dem Deich um berücksichtigungswürdige „frühere“ Überschwemmungsgebiete handelt oder eine - zeitliche oder räumliche - Einschränkung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift geboten ist und wie die Grenzen eines "früheren Überschwemmungsgebietes“ zu bestimmen sind, und ob das Fehlen einer „nachvollziehbaren Prüfung" der Anforderungen des Verbesserungsgebotes zu einem Verfahrensfehler oder zu einem materiell-rechtlichen Rechtsverstoß führt.

Für jede Begründung muss ein
Revisionszulassungsgrund vorliegen

Denn selbst wenn es sich dabei um klärungsfähige und -bedürftige Fragen des revisiblen, also juristisch vor dem Bundesverwaltungsgericht anfechtbaren, Rechts handelte, wäre die Revision nicht zuzulassen, stellt das Bundesverwaltungsgericht fest. Das Oberverwaltungsgericht habe sein Urteil selbständig tragend auf die weitere Erwägung gestützt, der Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig, weil die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden seien. Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt. Das sei hier nicht der Fall, stellt das Bundesverwaltungsgericht fest.

Den Wert des Streitgegenstandes hat das BVerwG für das Beschwerdeverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Den Beschluss des BVerwG finden Sie hier: link.euwid.de/y873l

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