OVG Thüringen: Bereitstellung von Trinkwasser ist öffentliche Tätigkeit

Eigentümer von Einkaufszentrum zu Legionellen-Untersuchungen verpflichtet

Wird Trinkwasser für einen unbestimmten Personenkreis zur Verfügung gestellt, ist dies eine öffentliche Tätigkeit. Das gilt unabhängig davon, ob die Bereitstellung im Rahmen eines Gewerbebetriebes, von einer Behörde oder auf andere Weise erfolgt, heißt es in einem aktuell veröffentlichten unanfechtbaren Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (Aktenzeichen 3 ZKO 599/19 vom 12.07.2023). Für die Frage, ob eine öffentliche Tätigkeit gegeben ist, komme es entscheidend darauf an, ob die Abgabe des Trinkwassers durch die zentral zur Verfügung gestellte Wasserversorgungsanlage an einen unbestimmten Personenkreis erfolgt.

Der Kläger ist Eigentümer eines im Jahr 1993 errichteten Einkaufszentrums in Jena und vermietet die dortigen Gewerberäume, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. In dem Gebäudekomplex befinden sich - neben Läden und Geschäften - fünf Arztpraxen, vier Restaurants und eine Tagesstätte für Suchtkranke.

Im März 2015 zeigte der Kläger gegenüber der beklagten Behörde an, dass die in dem Gebäude befindliche Wasserversorgungsanlage nunmehr in seinem Eigentum stehe und legte hierzu ein Trinkwasserstrangschema aus dem Jahr 1993 vor. Die Behörde stellte fest, dass die Warmwasseranlage nicht dokumentiert sei und die Entnahmestellen in den Gewerberäumen nicht nachzuvollziehen seien. Ein aktuelles Trinkwasserstrangschema legte der Kläger trotz entsprechender Aufforderung nicht vor.

Behörde ordnet
Legionellen-Untersuchung an

 Im November 2016 ordnete die Behörde gegenüber dem Kläger an, eine systematische Untersuchung auf Legionellen in der Anlage zur Trinkwassererwärmung, einschließlich des Warmwasserverteilungsnetzes, nach den Anforderungen der Trinkwasserverordnung in der jeweils geltenden Fassung im Rahmen der Eigenkontrollpflicht in der Immobilie vornehmen zu lassen. Zudem habe er u.a. ein Trinkwasserschema zu erstellen und dem Fachdienst Gesundheit bis vorzulegen. Die Behörde drohte dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro je Anordnung an, wenn er diesen Verpflichtungen nicht fristgemäß nachkomme.

Der Eigentümer legte u.a. und den Prüfbericht der inzwischen durchgeführten Vorbeprobung vor. An einem Waschbecken in einer Arztpraxis wurde eine Legionellen-Kontamination von 6500 KbE/100 ml festgestellt. Die Behörde  forderte den Kläger dazu auf, umgehend einen Sachverständigen mit einer Gefährdungsanalyse für das Objekt zu beauftragen und ihr das Ergebnis der Gefährdungsanalyse umgehend vorzulegen.

Auf die Klage des Eigentümers hin stellte das Verwaltungsgericht Gera in einem Urteil fest, dass der Eigentümer hinsichtlich seiner Wasserversorgungsanlage zu einer jährlichen Legionellen-Untersuchung nach der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) verpflichtet sei, da die Abgabe des Trinkwassers in dem Einkaufszentrum im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit erfolge (Aktenzeichen 3 K 556/17 Ge vom 18.7.2019).

Öffentliche Tätigkeit auch bei
Bereitstellung im Rahmen
eines Gewerbebetriebes

Dem Beschluss des OVG Thüringen zufolge hat der Eigentümer die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Wasserversorgungsanlage das Trinkwasser im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit abgibt, nicht erfolgreich in Frage gestellt. Entgegen der Auffassung des Klägers werden in der Trinkwasserverordnung auch - jedenfalls mittelbar - gewerbliche Tätigkeiten genannt, die eine öffentliche Tätigkeit darstellen, heißt es in dem Beschluss. Denn die Gesetzesbegründung verweise explizit auf Gaststätten und damit Einrichtungen, die nicht mit der öffentlichen Daseinsvorsorge in Zusammenhang stehen. Werde Trinkwasser für einen unbestimmten Personenkreis zur Verfügung gestellt, sei dies eine öffentliche Tätigkeit, unabhängig davon, ob die Bereitstellung im Rahmen eines Gewerbebetriebes, von einer Behörde oder auf andere Weise erfolge.

Schutzzweck der TrinkwV
muss erfüllt werden

Einem eingeschränkten Verständnis stehe auch der Schutzzweck der Norm offensichtlich entgegen, nämlich die Allgemeinheit vor den möglichen, gravierenden gesundheitlichen Folgen durch mit Legionellen belastetem Trinkwasser durch eine mindestens jährliche Untersuchungspflicht zu schützen. Dieser Zielrichtung würde nicht genüge getan, würden von dieser Verpflichtung - so wie der Kläger behauptet - lediglich Einrichtungen umfasst, die im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit betrieben werden, so das OVG.

Ohne Erfolg rügt der Kläger dem OVG weiterhin, das Verwaltungsgericht habe die gewerbliche Tätigkeit vorliegend zu Unrecht mit der öffentlichen Tätigkeit gleichgesetzt. Der Eigentümer wendet ein, dass der Gesetzgeber deutlich gemacht habe, dass diese Tätigkeiten nicht gleichzusetzen seien. Er, der Kläger, stelle Trinkwasser nur im Rahmen seiner gewerblichen Vermietung auf den Mietflächen für die Mieter und damit gerade nicht an einen unbestimmten Personenkreis zur Verfügung. Ob auf den Mietflächen gewerbliche oder öffentliche Tätigkeiten betrieben würden, sei für die Frage, ob er untersuchungspflichtig sei, ohne Belang.

Bei seiner Argumentation verkennt der Kläger dem OVG zufolge aber, dass zwischen den Begrifflichkeiten „gewerbliche“ und „öffentliche Tätigkeit“ kein Ausschlussverhältnis besteht. Der Begriff der „gewerblichen Tätigkeit“ diene vornehmlich dazu, eine Abgrenzung zum privaten Bereich zu erreichen, während der Begriff der „öffentlichen Tätigkeit“ sich nach der Art der Nutzer bestimme und Einrichtungen meine, die Trinkwasser für einen unbestimmten Personenkreis zur Verfügung stellen.

Zudem verkenne der Kläger, dass sich die Festlegung des Untersuchungsintervalls nicht danach bestimmt, welche Tätigkeit der Adressat der Anordnung ausübt. Das Verwaltungsgericht habe insofern zu Recht darauf hingewiesen, dass es für die Frage, ob eine öffentliche Tätigkeit gegeben sei, entscheidend darauf ankommt, ob die Abgabe des Trinkwassers durch die zentral zur Verfügung gestellte Wasserversorgungsanlage an einen unbestimmten Personenkreis erfolgt.

Mieter nicht untersuchungspflichtig

Soweit der Kläger vorträgt, dass die Mieter untersuchungspflichtig seien, hält das OVG dem entgegen, dass die Mieter - mögen sie auch die tatsächliche Sachherrschaft über die angemieteten Räumlichkeiten und die darin befindlichen Entnahmestellen haben - nicht die tatsächliche Sachherrschaft über die Wasserversorgungsanlage innehaben und damit nicht deren Inhaber werden.

Selbst wenn es zutreffen würde, dass die Mieter sonstige Inhaber der Wasserversorgungsanlage im Sinne der TrinkwV und damit Verantwortliche wären, würde dieser Umstand vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils begründen, gibt das OVG zu bedenken. Denn vor dem Hintergrund, dass nur der Kläger als Eigentümer der Wasserversorgungsanlage eine systemische Untersuchung der gesamten Wasserversorgungsanlage ermöglichen könne, dränge es sich im Hinblick auf das Ziel einer effektiven Gefahrenabwehr geradezu auf, ihn als Eigentümer in Anspruch zu nehmen.

Den Streitwert hat das OVG für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt. 

Den Beschluss des OVG Thüringen finden Sie hier: link.euwid.de/rtlbn

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