Citizen Science-Projekt FLOW: Kleine Bäche sind in schlechtem ökologischen Zustand

Belastung mit Pflanzenschutzmitteln und veränderte Gewässerstruktur

Kleine Bäche in Deutschland befinden sich in einem schlechten ökologischen Zustand. Wie das Citizen Science-Projekt FLOW zeige, sei in der Mehrheit der untersuchten Bäche, die durch eine landwirtschaftlich geprägte Landschaft fließen, die Wirbellosenfauna durch Pflanzenschutzmittel gestört, teilte das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) mit, welches das Projekt gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig durchgeführt hat. Zudem wiesen die Fließgewässer eine stark veränderte morphologische Struktur auf.

 „Die Auswertung unserer Citizen Science-Daten bekräftigt die Ergebnisse des UFZ-Kleingewässermonitorings: Die Wirbellosenfauna ist in rund 60 Prozent der beprobten Bäche in landwirtschaftlichen Einzugsgebieten durch Belastungen mit Pflanzenschutzmitteln gestört“, erklärte Julia von Gönner, FLOW-Koordinatorin und Doktorandin an UFZ und iDiv. Diese Probenahmestellen seien mit den SPEARpesticides-Indikator-Klassen „mäßig“, „unbefriedigend“ oder „schlecht“ bewertet worden. Dabei zeige sich, dass der Zustand der aquatischen Lebensgemeinschaften tendenziell schlechter ausfiel, je stärker das Einzugsgebiet der Probenahmestellen durch Ackerbau geprägt war.

Verbaute Uferstrukturen,
fehlende Ufervegetation

Zusätzlich zur Belastung mit Pflanzenschutzmitteln sei deutlich geworden, dass in über 60 Prozent der untersuchten Bäche auch die Gewässerstruktur deutlich bis stark verändert ist - etwa durch verbaute Uferstrukturen, fehlende Ufervegetation oder eine verarmte Gewässersohle. Auch das beeinträchtige die Lebensraumqualität und die Ökosystemfunktionen dieser Bäche stark. Es bestehe also dringender Handlungsbedarf, die chemische Belastung und die Verbauung der kleinen Fließgewässer zu reduzieren, um deren ökologischen Zustand, wie in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie gefordert, verbessern.

Ergebnisse verdeutlichten
den Wert von Bürgerforschung

Die Ergebnisse des Citizen Science-Projekts FLOW verdeutlichten aber auch den Wert von Bürgerforschung: „Durch unsere Citizen Science schaffen wir gemeinsam dringend benötigtes Wissen zum Zustand unserer Fließgewässer“, sagte Prof. Aletta Bonn, Leiterin des Departments Biodiversität und Mensch an UFZ und iDiv. Die Auswertungen zeigten, dass die FLOW-Bürgerforschenden valide Daten zum Gewässerzustand erheben, die in hohem Maße mit professionell erhobenen Daten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übereinstimmten.

„Kleine Fließgewässer finden
bei der systematischen Überwachung kaum Beachtung“

Das UFZ verweist darauf, dass trotz zahlreicher Maßnahmen, die seit dem Jahr 2000 ergriffen wurden, um die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllen, laut Umweltbundesamt (UBA) nach wie vor etwa 90 Prozent der amtlich untersuchten deutschen Fließgewässer in keinem guten ökologischen Zustand sind. Dabei finden die vielen kleinen Fließgewässer mit einem Einzugsgebiet von unter zehn Quadratkilometern bei der systematischen Überwachung der Behörden den Angaben zufolge bislang kaum Beachtung, obwohl sie etwa 70 Prozent des deutschen Gewässernetzes ausmachten und somit für den Erhalt der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung seien.

Um einen Überblick über die Belastung von Kleinfließgewässern mit Pflanzenschutzmitteln zu bekommen, hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des UFZ im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) im Pilotprojekt „Kleingewässermonitoring“ zwischen 2019 und 2022 über 100 kleine Bäche in landwirtschaftlichen Gebieten untersucht. Dabei wurde dem UBA-Bericht zufolge deutlich, dass in 80 Prozent dieser Bäche die staatlichen Pestizid-Grenzwerte, die nach Einschätzung von Forschenden noch viel zu hoch angesetzt sind, überschritten werden.

Weitere Verbesserung der
Datenlage nach UBA-Studie

Zur weiteren Verbesserung der Datenlage startete im Jahr 2021 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt FLOW - ein Citizen Science-Projekt, in dem Bürgerforschende Daten für die Wissenschaft sammeln. Seit drei Jahren in Folge seien geschulte Freiwilligengruppen unterwegs, um die Bäche in ihrer Region zu erforschen. Mit mehr als 900 Freiwilligen in etwa 90 regionalen Gruppen seien im Zeitraum 2021 bis 2023 insgesamt 137 Bäche untersucht worden, berichtet von Gönner. 83 Prozent der Probenahmestellen lagen in landwirtschaftlich geprägten Einzugsgebieten.

Die Freiwilligen bewerteten laut UFZ die Gewässerstruktur, maßen die chemische Wasserqualität und untersuchten die wirbellosen Tiere des Gewässergrunds, das sogenannte Makrozoobenthos. Durch die Bestimmung der Makrozoobenthos-Gemeinschaft zogen sie mithilfe des am UFZ von Prof. Matthias Liess entwickelten Bioindikators „SPEARpesticides“ Rückschlüsse auf die Pestizidbelastung des Gewässers. Die Ergebnisse dieser drei Monitoringjahre haben die Forschenden von UFZ und iDiv nun gemeinsam mit dem BUND im Fachjournal Science of the Total Environment veröffentlicht.

Das Citizen Science-Projekt FLOW wird den Angaben zufolge vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderbereichs Bürgerforschung gefördert. 

Die Publikation „Citizen science shows that small agricultural streams in Germany are in a poor ecological status“ finden Sie hier: link.euwid.de/4k88h

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